PARIS (dpa-AFX) - Der Luxusgüterkonzern LVMH (Louis Vuitton, Moet, Hennessy) steht kurz vor der Übernahme des Edel-Juweliers Tiffany - wenn alles so läuft wie geplant. Allerdings ist der Zukauf für die Franzosen wegen der Kursverluste im Zuge des Corona-Crashs vergleichsweise teurer geworden und hat mit Blick auf die Zahlen an Attraktivität verloren. Dennoch sehen Analysten Vorteile. Was momentan bei LVMH los ist, wie Analysten den Konzern bewerten und was die Aktie macht.

DAS IST LOS IM UNTERNEHMEN:

Der Juni ist fast vorbei und damit ist es eigentlich Zeit für Frühstück bei Tiffany: LVMH wollte sich den Edeljuwelier, der durch den gleichnamigen Film mit Audrey Hepburn zur Legende wurde, eigentlich bis Mitte des Jahres einverleiben. Doch konkrete Aussagen gibt es derweil nicht von Seiten des Managements. Natürlich hat die Corona-Pandemie auch die beiden Konzerne schwer getroffen, an der Übernahme an sich soll sich aber laut LVMH nichts ändern.

Allerdings gab es zwischenzeitlich Berichte, wonach LVMH erwäge, von dem gut 16 Milliarden Dollar schweren Deal zurückzutreten oder ihn nachzuverhandeln. Auch dass LVMH die Aktien nun doch am freien Markt kaufen wolle, war im Umlauf. Letzteres dementierte der Konzern unverzüglich.

Es hieß aber auch, in einer Sitzung des Verwaltungsrats Anfang Juni habe man sich auf die Auswirkungen der Corona-Krise fokussiert und dabei sei es auch um den Einfluss der Pandemie auf die Geschäftszahlen und Perspektiven von Tiffany im Lichte der Vereinbarung beider Unternehmen gegangen. Ob es die Möglichkeit für eine Nachverhandlung des Übernahmepreises gibt, dazu hat LVMH bisher keine Angaben gemacht. Hintergrund der Spekulationen war der Kursrutsch von Tiffany in der Corona-Krise.

Der Kaufpreis für Tiffany hat sich für LVMH im Zuge der Corona-Krise relativ zum Aktienkurs verteuert - etwa 135 US-Dollar je Tiffany-Aktie haben die beiden Unternehmen im November vereinbart. Durch den Corona-Crash waren die Tiffany-Papiere allerdings deutlich billiger geworden, mittlerweile liegt der Preis pro Aktie bei rund 122 US-Dollar.

Als LVMH die Übernahme des Edeljuweliers mit der berühmten Filiale an der New Yorker Fifth Avenue in New York im November für rund 16,2 Milliarden Dollar (14,3 Milliarden Euro) angekündigt hatte, war die Welt noch in Ordnung: Trotz andauerndem Handelsstreit waren Luxusgüter weiterhin gefragt. Mit dem Zukauf will der französische Konzern mit Luxusmarken wie Christian Dior, Veuve Clicquot, Fendi, Rimowa und Bulgari seine Präsenz auch auf dem wichtigen US-Markt ausbauen.

Zuletzt war von Seiten des Tiffany-Managements zu hören: Es gehe voran, die ersten kartellrechtlichen Genehmigungen für den Deal seien bereits eingeholt worden. Der Kauf des Juweliers Tiffany wäre für LVMH der bislang größte in der Unternehmensgeschichte.

Die Corona-Pandemie hat bei beiden Unternehmen Spuren hinterlassen. Bei Tiffany fielen die Zahlen zum ersten Quartal aber noch mal schlechter aus als von Analysten erwartet. Und auch LVMH musste Federn lassen, der Umsatz brach im ersten Quartal ein, die Dividende wurde gekappt, Investitionen gekürzt. Statt Parfum und Luxustaschen produzierte der Konzern auf einmal auch Desinfektionsmittel und Schutzmasken.

Allerdings klang im April auch schon beim Management vorsichtiger Optimismus durch, die Geschäfte in China hätten sich nach der Eröffnung der Läden zu diesem Zeitpunkt schon wieder etwas erholt. "LVMH bleibt gut belastbar", erklärte Konzernchef und Großaktionär Bernard Arnault bei Vorlage der Quartalszahlen im April. Exzellenz, Kreativität und Reaktionsfähigkeit mache es nicht nur möglich, diese Krise zu überwinden, "sondern vor allem noch stärker zu werden, wenn sie verblasst." LVMH ist mit fast 5000 Läden in etwa 70 Ländern vertreten.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

In einem Punkt sind sich die im dpa-AFX-Analyser gelisteten Analysten einig: Verkaufen würden sie das Papier der Franzosen derzeit auf keinen Fall. Alle Experten, die sich seit dem Corona-Crash mit der Aktie beschäftigt haben, raten entweder zum Kauf, oder dazu, das Papier mindestens zu halten. Konkret sind es sieben Kaufempfehlungen, vier Mal sind die Experten dann doch etwas zurückhaltender. Das durchschnittliche Kursziel für die Aktie liegt etwa bei rund 400 Euro.

Besonders optimistisch ist das US-Analysehaus Bernstein Research, das das Kursziel erst vor Kurzem auf 450 Euro angehoben hat. Das Analysehaus begründet seine Sicht damit, dass die Branchentrends im Luxusgütersektor ermutigend seien. Auch die Experten der britischen Bank HSBC trauen dem Luxusgüterkonzern mit 440 Euro noch viel zu, allerdings hatten sie das Kursziel Anfang Mai gesenkt, vorher war die Stimmung deutlich positiver.

Zuletzt hieß es bei der HSBC: Wer denke, das erste Quartal sei für die Luxusgüterbranche hart gewesen, dürfte vom zweiten negativ überrascht werden, schrieb Analyst Erwan Rambourg. Eine Erholung komme nicht über Nacht. Die Deutsche Bank schätzt den Wert der Aktie langfristig eher auf 360 Euro und damit tiefer als alle anderen, betont aber auch mit Blick auf das erste Quartal: Die Anleger sollten sich vom starken Umsatzrückgang bei LVMH nicht täuschen lassen. Entscheidend sei, dass der Abschwung in der wichtigen Sparte Mode und Lederwaren geringer ausgefallen ist.

Das Analysehaus RBC hebt die Wettbewerbsvorteile des Konzerns hervor: LVMH sei etwa führend bei großen Marken und habe ein breites Produktportfolio. Zur geplanten Übernahme von Tiffany schreibt Analyst Piral Dadhania: Auf der einen Seite habe der Kauf seit Corona mit Blick auf die Zahlen an Attraktivität verloren, auf der anderen Seite erhöhe sich mit dem Kauf der Umsatzanteil in den USA im Geschäft mit Uhren und Schmuck von derzeit acht auf 26 Prozent.

RBC-Analyst Piral Dadhania zweifelt nicht daran, dass LVMH an der Übernahme festhält - obwohl der Kaufpreis im Vergleich zu den aktuellen Marktpreisen jetzt hoch erscheint und die Aussichten seit der Vereinbarung im November gesunken sind. Die Schweizer Großbank UBS blickt kritisch darauf, dass der Deal noch nicht in trockenen Tüchern zu sein scheint: Das sei negativ für Tiffany und den ganzen Luxusgütersektor. Und es lege nahe, dass der größte Player der Branche die Erholung vorsichtiger beurteile.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Die Corona-Krise beendete den jahrelangen Höhenflug der im EuroStoxx 50 notierten Aktie abrupt - und zwar schon im Januar. Damit war das Papier des wertvollsten Konzerns der Eurozone früher von der Corona-Krise betroffen als die meisten anderen europäischen Standardwerte. Grund dafür ist, dass der französische Luxusgüterkonzern viel Geld in China verdient und dort das neuartige Corona-Virus die Wirtschaft bereits im Januar lahmlegte, während sich die Krise in Europa und den Vereinigten Staaten ab Ende Februar verschärfte.

Von dem Rekordhoch von 439 Euro ging es um bis zu knapp 37 Prozent auf 278,70 Euro nach unten - inzwischen hat sich das Papier wieder deutlich erholt. Aktuell kostet die Aktie wieder mehr als 380 Euro und damit etwas mehr als vor einem Jahr. Damit schnitt das Papier mal wieder besser ab als der Eurozonen-Leitindex. Auf längere Sicht sieht es für LVMH sogar noch besser aus. Im Jahr 2010 gelang erstmals der Sprung über die Marke von 100 Euro. Richtig Fahrt nahm das Papier dann 2016 auf.

Seitdem ging es von rund 150 Euro im Spätsommer 2016 trotz des Corona-Rückschlags im laufenden Jahr um mehr als 150 Prozent nach oben. Dank dieser Rally in den vergangenen Jahren hat sich LVMH mit einem Börsenwert von rund 194 Milliarden Euro zu dem mit Abstand wertvollsten Konzern der Eurozone gemausert - im September 2016 lag das französische Unternehmen in dieser Wertung gerade mal auf Rang zehn.

Größter LVMH-Anteilseigner ist Konzernchef Bernard Arnault, der 47 Prozent am Unternehmen hält. Dank seiner Beteiligung am florierenden Luxusgüterkonzern gehört er zu den reichsten Menschen der Welt. Die Nachrichtenagentur Bloomberg beziffert sein Vermögen auf aktuell umgerechnet 87 Milliarden Dollar - damit ist er der mit Abstand reichste Mensch Europas./knd/mne/mis/zb/fba