FRANKFURT (Dow Jones)--Der deutsche Aktienmarkt schloss am letzten Handelstag des Jahres 2020 knapp im Minus. Der Handel verlief dabei in extrem ruhigen Bahnen am Ende eines turbulenten Jahres. Das Börsenbarometer DAX ging 0,3 Prozent tiefer bei 13.719 Punkten aus dem Handel. Gegenüber dem Vorjahr hat der Index dabei um rund 3,5 Prozent zugelegt, und damit deutlich mehr geliefert, als bei Bundesanleihen momentan zu verdienen ist. Erst am Vortag notierte der Benchmarkindex mit 13.903 Zählern auf seinem Allzeithoch.

Deutlich mehr Performance war dagegen in der zweiten Reihe am deutschen Aktienmarkt zu erzielen. Auch MDAX sowie SDAX handelten gestern noch auf Allzeithoch, seit Jahresbeginn hat der Mittelstandsindex um knapp 9 Prozent zugelegt, der Kleinstwerteindex um 18 Prozent. Der technologielastige TecDAX erzielte ein Plus von 6,5 Prozent über das Jahr gesehen.

Das Jahr 2020 wird vielen noch lange als Seuchenjahr in Erinnerung bleiben. Erst ab Februar wurde das Corona-Virus mit seiner schnellen Verbreitung medial verstärkt wahrgenommen, nachdem erste Meldungen darüber bereits Ende 2019 zu lesen waren. An der Börse gingen die Investoren in Deckung und verkauften Aktien. Niemand wusste zu diesem Zeitpunkt, was die kommenden Monate noch bringen. Nachdem der DAX am 17. Februar noch bei 13.795 Punkten notierte, brach er innerhalb der nächsten vier Wochen um 40 Prozent ein auf sein Jahrestief bei 8.256 Punkten. Im Durchschnitt sackte er damit Tag für Tag um rund 275 Punkte ab. Selbst alte Hasen auf dem Parkett hatten so etwas noch nicht erlebt.


   Der Reisebranche brachen die Buchungen weg 

Viele Unternehmen traf der pandemiebedingte Lockdown im Frühjahr hart und ihre Aktien erholten sich auch in den folgenden Monaten von Kursabstürzen kaum. Urlaube fanden mehrheitlich notgedrungen in Deutschland statt, ab April blieben die meisten Flugzeuge am Boden, selbst die Touristen aus Asien besuchten die Loreley nicht mehr. Aber nicht nur die Ferienflieger blieben aus, auch Geschäftsreisen fanden nicht mehr statt. Stattdessen mussten Reiseunternehmen und Fluglinien Buchungen stornieren und den Kunden Geld zurückzahlen. Der Staat war schnell zur Stelle und pumpte Milliardensummen in die Unternehmen, um deren Überleben zu sichern. Zu den prominentesten Namen gehören Lufthansa, die Aktie verlor dieses Jahr 34 Prozent an Wert, Fraport (minus 35 Prozent) oder Tui (minus 54 Prozent).

Für Überraschung sorgte im Sommer der Einstieg des Milliardärs Heinz Hermann Thiele bei der Lufthansa. Er ist mit Vossloh bereits an einem Logistik- und Transportunternehmen beteiligt. Das Überleben der Kranichlinie gewährleistete letztlich aber der Einstieg des deutschen Staates mit 20 Prozent am Grundkapital und einer 9 Milliarden Euro schweren Finanzspritze.


   Stay at home: Eingekauft wird zuhause 

Pandemie, Hygienemaßnahmen und Lockdown änderten die Lebensgewohnheiten massiv. Millionen Menschen mussten in Kurzarbeit, noch mehr arbeiteten von heute auf morgen von zu Hause, während die Innenstädte verwaisten. Viele Dinge des täglichen Bedarfs, aber auch Kleidung und Möbel werden seitdem verstärkt online gekauft, womit sich dieser Trend in den vergangenen 12 Monaten geradezu brutal beschleunigte. Auch viele Menschen, die bisher den Einzelhandel vor Ort unterstützten, kaufen nun im Internet ein.

Die Aktien der Bestellplattformen für Essen wie Delivery Hero (plus 80 Prozent), des Kochboxenversenders Hellofresh (plus 238 Prozent), des Versandhändlers Zalando (plus 101 Prozent) oder auch der Versandhändler für Möbel wie Home24 (plus 358 Prozent) oder Westwing (plus 831 Prozent) gehörten deswegen zu den großen Gewinnern der Krise am deutschen Aktienmarkt. Wie es momentan aussieht, wird der Trend noch einige Zeit andauern.


   Wirecard hat (fast) alle hinters Licht geführt 

Zu einem wahren Albtraum wurde der Zahlungsdienstleister Wirecard - für die Deutsche Börse selbst, für die Bafin, die Wirtschaftsprüfer und vor allem die Wirecard-Aktionäre. Vorwürfe über Ungereimtheiten in der Bilanz des vermeintlichen Highflyers in den DAX gab es zwar schon lange und immer wieder, es brauchte allerdings 12 Jahre und viele Short-Attacken, bis das Kartenhaus von CEO Markus Braun und seinen Mitwissern Mitte Juni zusammenbrach. Im Nachhinein kann man der Financial Times nur gratulieren, dass sie so lange und hartnäckig recherchierte und den Skandal mit fingierten Milliardenumsätzen ans Licht brachte.

Für die Deutsche Börse wurde Wirecard zum Desaster, weil ein inzwischen insolventes Unternehmen weiter dem Index der Top-30-Unternehmen in Deutschland angehörte und es zunächst regeltechnisch keine Handhabe gab, es schnell aus dem DAX herauszuwerfen. Deshalb musste das Regelwerk geändert werden, so dass Wirecard erst im August aus dem DAX und dem TecDAX genommen wurde.

Finanzchef Marsalak, der sicher noch einige interessante Details beisteuern könnte, bleibt derweil untergetaucht und unauffindbar und Wirecard-Filetstücke wurden vom Insolvenzverwalter verkauft. Die Justiz wird noch lange an dem Fall arbeiten, die Story später verfilmt werden. Für die Anleger war Wirecard mit einem Minus von 99,7 Prozent ein Totalverlust.

Umgesetzt wurden im Xetra-Handel bei den DAX-Werten rund 28,3 (Vortag: 43,2) Millionen Aktien im Wert von rund 1,47 (Vortag: 2,14) Milliarden Euro. Es gab 8 Kursgewinner und 22 -verlierer.


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INDEX          zuletzt   +/- %  +/- % YTD 
DAX          13.718,78  -0,31%     +3,55% 
DAX-Future   13.719,00  -0,32%     +5,16% 
XDAX         13.730,11  +0,10%     +4,53% 
MDAX         30.796,26  -0,38%     +8,77% 
TecDAX        3.212,77  -0,16%     +6,56% 
SDAX         14.764,89  -0,01%    +18,01% 
zuletzt              +/- Ticks 
Bund-Future     177,59     -12 
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Kontakt zum Autor: maerkte.de@dowjones.com

DJG/thl/err

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December 30, 2020 08:34 ET (13:34 GMT)