FRANKFURT (Dow Jones)--Der Wirtschaftsweise Volker Wieland hält eine Zinserhöhung durch die Europäische Zentralbank (EZB) schon in diesem Jahr für notwendig. "Der Ausschluss einer möglichen Zinserhöhung 2022 ist schwer zu begründen und unnötig", sagte Wieland im Gespräch mit der Wirtschaftswoche. Wieland zeigte sich vor allem darüber erstaunt, dass EZB-Chefin Christine Lagarde ihren expansiven Kurs damit rechtfertigt, dass man 2023 und 2024 wieder unter dem Inflationsziel von 2 Prozent liegen werde.

"Angesichts der Fehleinschätzungen zur Inflationsentwicklung ist es sehr gewagt, die aktuelle Geldpolitik an Prognosen zu koppeln, die derart weit in die Zukunft reichen", sagte Wieland und verwies auf wissenschaftlichen Studien, denen zufolge es "den Stabilisierungserfolg der Geldpolitik gefährden kann, wenn eine Notenbank ihre Zinsstrategie an Inflationsprognosen ausrichtet, die mehr als ein Jahr in der Zukunft liegen".

Zudem warnte Wieland im Gespräch mit der Wirtschaftswoche vor der Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale in Deutschland. Vieles spreche dafür, dass Deutschland zeitverzögert eine ähnliche Entwicklung wie die USA erleben werde. "Das Risiko, dass bald auch die Löhne zum Inflationstreiber werden, steigt in Deutschland und Europa gleichermaßen", sagte Wieland. "Die Gewerkschaften dürften einiges daran setzen, nach den Reallohnverlusten 2021 diesmal einen realen Kaufkraftgewinn für die Beschäftigten herauszuholen."

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January 16, 2022 22:00 ET (03:00 GMT)