FRANKFURT (dpa-AFX) - Der deutsche Aktienmarkt dürfte in der neuen Woche im Bann der US-Präsidentschaftswahl am Dienstag und des Teil-Lockdowns stehen. Angesichts dieser beiden Hauptthemen dürften die anstehenden Unternehmenszahlen und Konjunkturdaten sowie die Sitzungen der Notenbanken der USA und Großbritanniens etwas in den Hintergrund treten. Im Blickpunkt bleibt zudem die Hängepartie um eine Lösung im Brexit-Streit zwischen der EU und Großbritannien.

"Die zweite große Welle an Neuinfektionen und die neuen Corona-Beschränkungen werden die Aktienmärkte weiter fest im Griff behalten. Auch die bevorstehende US-Wahl könnte für Verunsicherung sorgen, falls es länger dauert, bis ein Ergebnis feststeht", bemerkte der Chefanlagestratege der Commerzbank, Chris-Oliver Schickentanz. Zuletzt hatten die angekündigten Corona-Beschränkungen in Deutschland für eine rabenschwarze Börsenentwicklung mit einem kräftigen Dax-Wochenverlust gesorgt.

Nach Einschätzung von Robert Greil, Chefstratege der Privatbank Merck Finck, bedeuten die letzten Tage vor der US-Wahl für die Finanzmärkte wahrscheinlich den "Höhepunkt der Unsicherheit". Er verwies darauf, dass "die zu erwartende Klarheit über die künftige US-Administration der erste Schritt zu einer Abnahme der Nervosität an den Märkten ist, gefolgt von der nahenden Brexit-Entscheidung und zu erwartenden positiven Folgen der ausgedehnten Covid-19-bedingten Einschränkungen". Dies bedeute zunächst zwar eine erhöhte Schwankungsanfälligkeit der Börsen, darüber hinaus gedacht sollte der frühzyklische Konjunkturaufschwung aber wieder Fahrt aufnehmen und den Aktienmarkt stützen.

Frank Klumpp von der Landesbank Baden-Württemberg sieht dies ähnlich: "Neben den Pandemie-Sorgen, die auch in den USA wieder virulenter werden, befürchten die Anleger einen unsicheren Wahlausgang in der kommenden Woche. Die Sorgen rund um die US-Wahl sollten aber bald Geschichte sein. Sollte in der Wahlnacht bereits ein klares Ergebnis feststehen, dürften die Aktienkurse mit einer Erleichterungsrally reagieren", erwartet der Aktienstratege.

In puncto Corona-Restriktionen stellt Klumpp unterdessen folgende Rechnung auf: "Lockdown light ist gleich Marktkorrektur light." Sicher würden die neuen Einschränkungen einige Branchen wie die Gastronomie und den Tourismus nochmals besonders hart treffen, so der Aktienstratege. "Wir befürchten dennoch keine Baisse wie im Frühjahr: Der beschlossene Lockdown ist moderater als damals, und die Unternehmen sind besser darauf eingestellt. Außerdem ist die Arbeit an Impfstoffen schon weit vorangeschritten", erklärte Klumpp.

DZ Bank-Chefvolkswirt Stefan Bielmeier geht allerdings davon aus, dass der Teil-Lockdown gesamtwirtschaftlich merkliche Effekte haben wird, selbst wenn die Einbußen nicht so gravierend sein dürften wie im Frühjahr. "Nach der kräftigen Erholung im dritten Quartal ist nunmehr ein Rückfall in eine - wenn auch vermutlich leichte - Rezession nicht unwahrscheinlich", so Bielmeier.

Zudem droht weiterhin das Risiko eines harten Brexit. Zwar sah EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen in den Gesprächen über einen Handelspakt mit Großbritannien zuletzt "gute Fortschritte", doch sind wichtige Streitpunkte noch ungeklärt. EU-Ratschef Charles Michel sagte, wahrscheinlich werde man nächste Woche die Lage abschätzen können.

Zu den Veröffentlichungen der wichtigsten volkswirtschaftlichen Daten in der neuen Woche gehören die Auftragseingänge und die Produktionszahlen der deutschen Industrie am Donnerstag und Freitag. In den USA dürfte der Veröffentlichung des Arbeitsmarktberichts am Freitag besondere Aufmerksamkeit gebühren. Ansonsten sollte sich am Donnerstag der Anlegerfokus auf die geldpolitischen Sitzungen der Bank of England und der US-Notenbank Fed richten.

Hierzulande geht in der neuen Woche die Quartalsberichtssaison der Unternehmen mit voller Fahrt weiter. Während am Montag mit den Zahlen des Medizintechnikkonzerns Siemens Healthineers als einzigem großen deutschen Unternehmen noch relativ ruhig zugeht, wird es am Dienstag schon turbulenter. Unter anderem informieren der Pharma- und Agrarchemiekonzern Bayer, der Spezialchemiekonzern Evonik, der Kochboxenversender Hellofresh sowie das Modeunternehmen Hugo Boss über ihre Geschäftsentwicklung.

Am Mittwoch folgen unter anderem der Autobauer BMW, der Immobilienkonzern Vonovia, der Flughafenbetreiber Fraport, der Chemikalienhändler Brenntag und der Rückversicherer Hannover Rück.

Wöchentlicher Höhepunkt des Zahlenreigens ist der Donnerstag mit den Quartalsergebnissen unter anderem von Lufthansa, Commerzbank, HeidelbergCement, Lanxess, Shop Apotheke, Munich Re, Gea Group, Dialog Semiconductor und Linde. Am Freitag folgen unter anderem noch der Versicherer Allianz und der Rüstungskonzern Rheinmetall./edh/tav/he

--- Von Eduard Holetic, dpa-AFX ---