FRANKFURT (dpa-AFX) - Am deutschen Aktienmarkt könnte sich Experten zufolge in der neuen Woche allmählich eine recht schöne Herbststimmung breitmachen. Angesichts der Erholungsrally der vergangenen Monate hat der Leitindex Dax die Corona-bedingte Kursdelle nahezu vollständig ausgebügelt - selbst das im Februar noch erreichte Rekordhoch bei gut 13 795 Punkten liegt in nicht weiter Ferne.

Aktuell zumindest bereitet das Virus mit den sechs Buchstaben keine allzu großen Sorgen und auch die Konjunktur scheint wieder Tritt zu fassen. Allerdings stehen in den nächsten Tagen eine Reihe wichtiger Wirtschaftsnachrichten auf der Agenda; sollte es hier zu negativen Überraschungen kommen, könnten die Anleger statt des erhoffen Indian Summer doch eher frühe Herbststürme erleben.

Noch aber fällt der Blick auf den Kursverlauf des Leitindex recht erfreulich aus. "Vorerst kein Gewitterrisiko" lautet die Vorhersage des Charttechnikers Franz-Georg Wenner von Index-Radar: "Lässt man die vergangenen Handelstage Revue passieren, so fällt auf, dass der Dax weitere Erfolge erzielte." Die Verkaufsbereitschaft oberhalb von 13 000 Punkten habe nachgelassen. Anders formuliert: "Anleger, die den letzten Sprung verpasst haben, dürften an schwachen Tagen auf diesem Niveau wieder zugreifen und eine Gegenbewegung einleiten."

Auch aus fundamentaler Sicht gab es zuletzt eher gute Neuigkeiten. Die US-Notenbank (Fed) hatte jüngst konkrete Details zu ihrem neuen geldpolitischen Rahmenwerk öffentlich gemacht. Das bisherige Inflationsziel von zwei Prozent wird zwar beibehalten, es soll aber im Durchschnitt über einen gewissen Zeitraum erreicht werden. Falls also die Inflation längere Zeit unter diesem Ziel liegt, dann kann die Fed anschließend eine längere Zeit eine höhere Inflation akzeptieren. Bisher gab es ein festes Ziel. Die Änderungen sprechen insofern für eine lockere Geldpolitik. Die damit verbundenen, niedrigen Zinsen lassen Aktien weiterhin gegenüber festverzinslichen Wertpapieren in einem besseren Licht erscheinen.

Vor diesem Hintergrund verbreitete Robert Halver, Leiter der Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank, Zuversicht: "Die sich weiter verschärfende Virus-Situation in Europa kann die Aktienmärkte nicht wirklich schocken. Denn einen generellen Lockdown wird die Politik nicht veranlassen." In diesem Zusammenhang hellten auch Fortschritte bei der Corona-Therapie die Perspektiven für Aktien auf. Positiv stimmten auch die im Trend sinkenden Corona-Fälle in den USA, die Hoffnungen auf eine Fortsetzung der zuletzt unterbrochenen Lockerungsmaßnahmen und damit eine dynamischere Konjunktur weckten.

Insofern wird die neue Woche aus Sicht von Robert Greil, dem Chefstrategen der Privatbank Merck Finck, konjunkturell besonders wichtig: "Die Vielzahl der Makrodaten wird zeigen, wie die Ausgangsposition für eine weitere Konjunkturerholung im Herbst wirklich ist." Greil sieht die weltweit zahlreichen Einkaufsmanagerindizes am Montag, Dienstag und Donnerstag als wichtige Barometer für die bevorstehende wirtschaftliche Aktivität und bleibt dabei optimistisch: "Der anhaltende Mix aus expansivem Politik- und Liquiditätszyklus wird den Konjunkturzyklus weiter anschieben."

Ein Händler kommentiert die kommenden Tage aus Anlegersicht so: "Der Spannungsbogen der neuen Woche zieht sich vom absehbar lahmen Start mit dem Feiertag in England bis zum furiosen Ende, dem Arbeitsmarktbericht aus den USA für den Monat August." Analyst Christoph Balz von der Commerzbank warnte bereits: "Die von dem Anbieter von Zeitabrechnungssoftware Homebase veröffentlichten Zahlen zur Beschäftigung in den überwiegend kleinen Unternehmen aus dem Dienstleistungssektor sind zuletzt kaum noch gestiegen." Insgesamt sollten die anstehenden US-Konjunkturdaten zwar eine anhaltende Erholung zeigen, die aber etwas an Schwung verliere.

Am Donnerstag nach Börsenschluss schließlich gibt die Deutsche Börse die Ergebnisse der turnusmäßigen Zusammensetzung ihrer Aktienindizes bekannt. Der Kunststoff-Spezialist Covestro darf seinen Platz im Dax laut dem Analysten Pankaj Gupta der US-Bank JPMorgan nun wohl doch behalten. Dank ihrer jüngsten Kursrally seien die Leverkusener mit Blick auf Börsenwert und Handelsaktivität wieder auf eine Position vorgerückt, die zum Verbleib im Leitindex ausreiche. Zuletzt hatten die Papiere des Duftstoff- und Aromenherstellers Symrise und des Diagnostikunternehmens Qiagen als mögliche Anwärter für den Dax gegolten.

Im MDax der mittelgroßen Werte erwartet Gupta dagegen Veränderungen: Auf Basis aktueller Daten der Streubesitz-Marktkapitalisierung und der Handelsumsätze dürften die Papiere von Shop Apotheke und Wacker Chemie die Plätze von RTL und Aareal Bank einnehmen./la/bek/he

--- Von Lutz Alexander, dpa-AFX ---