FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Corona-Pandemie und besonders die neue Virusvariante Omikron werden wohl auch in der neuen Börsenwoche den Takt vorgeben. Zudem könnte die angesichts der Virussorgen zuletzt deutlich in den Hintergrund gerückte Schuldenkrise des chinesischen Immobilienkonzerns Evergrande wieder in den Fokus rücken.

So warnte Evergrande kurz vor dem Wochenende vor möglichen Zahlungsschwierigkeiten. Zuletzt hatte der weltweit am höchsten verschuldete Immobilienkonzern fällige Zinszahlungen auf US-Dollar-Anleihen zumindest noch knapp innerhalb von Nachfristen zahlen können. Nun hieß es aber, nach einer Überprüfung der Finanzmittel könne keine Garantie gegeben werden, dass die Gruppe über ausreichende Mittel verfügt, um den finanziellen Verpflichtungen nachzukommen. Derweil versucht Chinas Börsenaufsicht, Ängste über eine sich ausbreitende Krise zu zerstreuen. Die Auswirkungen der Vorgänge bei Evergrande seien kontrollierbar, teilte sie mit.

Mit Blick auf Omikron verbinden viele Investoren aktuell vor allem Risiken für die Aktienkurse. Das verwundert nicht, hat die neue Variante dem deutschen Leitindex Dax zuletzt doch herbe Verluste eingebrockt und sind die Risiken durch eine Infektion im Vergleich zu zuvor bekannten Coronavarianten noch weitgehend unklar. Doch es gibt auch Beobachter, die in Omikron eine Chance sehen.

"Die Investoren tun sich schwer mit einer Einschätzung der wirtschaftlichen Folgen von Omikron, weil die Datenlage nicht ausreicht", schrieb Chefstratege Mark Haefele von der Bank UBS. Die hohen Kursverluste und starken Schwankungen legten den Schluss nahe, dass die Anleger mit weiteren Turbulenzen an den Börsen rechneten. Omikron menge sich gegenwärtig in die ohnehin vielerorts steigenden Infektionszahlen der Delta-Variante. Sollte sich die neue Virusvariante als deutlich gefährlicher als ihre Vorgänger erweisen, drohten neuerliche Lockdowns. In diesem Szenario rechnet Haefele mit weiteren Kursverlusten von 10 bis 15 Prozent an den Aktienmärkten.

"Die Daten zu Omikron sind dünn, die Informationen sind widersprüchlich und einige Medien haben die Risiken aufgebauscht und Worst-Case-Szenarien beschrieben", schrieben Marko Kolanovic und Brian Kaplan von JPMorgan in einer Studie. Omikron sei zwar vermutlich ansteckender als die bisherigen Varianten. Ersten Berichten zufolge könne Omikron jedoch weniger tödlich sein als die Vorgänger. "Das würde sich mit Erkenntnissen aus der Entwicklung von Viren in der Vergangenheit decken", so die Analysten.

Sollte sich Omikron rasch ausbreiten und mithin andere, gefährlichere Varianten quasi verdrängen, so könne die Pandemie "in etwas übergehen, was eher einer saisonalen Grippe ähnelt", skizzieren Kolanovic und Kaplan ein Szenario, das sie allerdings selbst mit Fragezeichen versehen. Immerhin würde sich dieses Szenario aber einreihen in die bisherigen Erfahrungen mit virusbedingten Atemwegserkrankungen.

Damit könne schließlich ein Ende der Pandemie in Sicht kommen, von der risikoreiche Anlagen wie Aktien profitieren dürften. Für Investoren böten sich also neue Chancen: Vor allem Konjunkturzykliker, der Rohstoffsektor und die Aktien der von Lockerungen profitierenden Unternehmen wären dann angesagt. Verkauft werden dürften dagegen laut Kolanovic und Kaplan die Gewinner der coronabedingten Restriktionen. Im Dax zählen dazu etwa Delivery Hero, Qiagen, Sartorius und Zalando.

Für Spannung am deutschen Aktienmarkt könnten in der neuen Woche mit Daimler und Volkswagen (VW) zwei Autobauer sorgen. Zum einen soll am Donnerstag der Aufsichtsrat von VW über Milliardeninvestitionen und Personalien beraten. Und zum anderen sind am Freitag 41 statt 40 Aktien im Dax enthalten. Daimler spaltet die Truck-Sparte ab. Diese wird als Daimler Truck Holding AG aus börsentechnischen Gründen für nur einen Handelstag im Leitindex geführt und verlässt diesen mit Xetra-Schluss wieder.

Bei der alljährlichen großen Investitionsrunde von VW werden vor allem die Milliardenausgaben und Finanzziele für die kommenden fünf Jahre festgezurrt - aber diesmal wohl auch einige wichtige Posten neu verteilt. In der Kritik wegen des schlechten Managements rund um den Chipmangel und wegen seines provokativen Führungsstils steht auch einmal mehr Konzernchef Herbert Diess selbst. Eigentlich hätten die Beschlüsse bereits im November fallen sollen, wegen des großen Redebedarfs in Wolfsburg wurde der Termin aber verschoben.

Auf der Konjunkturseite richten sich die Blicke auf Inflationsdaten aus den USA. Die Frage ist, ob die bereits sehr hohe Inflation weiter gestiegen ist. Die US-Notenbank Fed würde sich durch eine weiter steigende Inflation wohl in ihrer Haltung bestätigt sehen, ihre Wertpapierkäufe schneller zurückzuführen als bisher beabsichtigt. Entsprechende Andeutungen hatte in dieser Woche Fed-Chef Jerome Powell gemacht. Viele Analysten rechnen mit einer konkreten Ansage der Zentralbank auf der nächsten Zinssitzung Mitte Dezember. Die milliardenschweren Käufe durch die Fed zählen schon länger als ein wichtiger Treiber der Aktienmärkte./bek/gl/mis

--- Von Benjamin Krieger, dpa-AFX ---