FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Rekordjagd am deutschen Aktienmarkt könnte demnächst fürs Erste vorbei sein. War der Leitindex Dax noch vor wenigen Tagen erstmals über 16 000 Punkte geklettert, so fand er sich wenig später 400 Punkte schwächer auf dem niedrigsten Stand seit etwa zwei Wochen wieder. Die Furcht vor einem nahenden Ende des billigen Geldes in den USA, die grassierende Delta-Variante des Coronavirus und Turbulenzen in China könnten den Investoren zunächst weiter die Suppe versalzen.

Mit Spannung dürften Anleger in der neuen Woche auf den kleinen Ort Jackson Hole im US-Bundesstaat Wyoming schauen. Dort treffen sich ab Donnerstag führende Notenbanker zum jährlichen geldpolitischen Austausch und Ausblick. "Gerne haben US-Notenbankchefs diese Konferenz zum Anlass genommen, um eine Wende in ihrer Geldpolitik anzukündigen", schrieb Volkswirt Cyrus de la Rubia von der Hamburg Commercial Bank.

Die Marktakteure hofften zu erfahren, wie der Zeitplan der US-Notenbank Fed für einen Ausstieg aus der extrem lockeren Geldpolitik aussieht. Der Hamburger Ökonom ruft das Jahr 2013 in Erinnerung, als der damalige Fed-Chef Ben Bernanke "laut überlegte, dass man ja doch irgendwann mal beginnen könne, die Anleiheankäufe zurückzufahren". Die Folge seien stark steigende Renditen lang laufender Anleihen und hohe Kursverluste an den Aktienmärkten gewesen. Dabei habe vielen Ländern seinerzeit noch die Finanzmarktkrise in den Knochen gesteckt.

Der entscheidende Faktor für eine geldpolitische Wende sei der US-Arbeitsmarkt, schätzt de la Rubia. Fed-Chef Jerome Powell dürfte daher wohl erst noch die Anfang September anstehenden Zahlen für die Beschäftigung im August abwarten, vermutet der Experte. Powell könne anschließend zur Fed-Sitzung im September einen Ausstiegsplan vorlegen. Im Dezember könnte die Notenbank dann tatsächlich mit einer Reduzierung der Anleihekäufe beginnen und diese in den kommenden zehn bis zwölf Monaten fortführen. "Mit einem derartigen Vorgehen dürfte es der Fed gelingen, eine sanfte Wende einzuleiten, statt mit einer Powerhalse erneute Turbulenzen an den Märkten zu riskieren."

Angesichts der Ungewissheit rund um die Geldpolitik der Fed könnten Anleger also ihr Pulver trocken halten. Hinzu kommen steigende Corona-Infektionszahlen in vielen Teilen der Welt. Hierzulande steigt die Sieben-Tage-Inzidenz ebenfalls rasch. "Auch in Deutschland wird der Ruf nach einer dritten Impfung immer lauter. Die sich aufbauende vierte Infektionswelle wird sich damit aber kaum stoppen lassen", prognostiziert der Volkswirt Christoph Weil von der Commerzbank.

"In China wurde jüngst ein komplettes Terminal in einem der größten Häfen der Welt geschlossen, nachdem ein Arbeiter positiv auf das Virus getestet wurde", merkte Volkswirt Carsten Mumm von der Privatbank Donner & Reuschel an. Die steigenden Ansteckungszahlen belasteten die wirtschaftlichen Perspektiven. Lieferengpässe und stark steigende Kosten für Logistik, Vorprodukte und Rohstoffe bremsten zudem die industrielle Produktion.

Als wäre all das nicht genug, sorgt Chinas Regierung immer wieder für Turbulenzen. Zuletzt erklärte Staatspräsident Xi Jinping, die hohen Wohlstandsunterschiede im Land ausgleichen zu wollen. Extrem hohe Einkommen sollen reguliert und angepasst werden, hieß es aus Peking - ohne nähere Details. Anleger verabschiedeten sich daraufhin auf breiter Front von Aktien von Autoherstellern und Luxusgüterkonzernen. "Diese erzielen einen Großteil ihrer Umsätze im Reich der Mitte und profitierten in den vergangenen Jahren vom gestiegenen Wohlstand der chinesischen Konsumenten", schrieb Analyst Bastian Ernst von der Berliner Weberbank. Aktien deutscher Autohersteller hatten jüngst starke Kursverluste verzeichnet.

Beim Blick auf die Konjunkturagenda der neuen Woche dürften sich die Anleger am meisten für das vom Ifo-Institut erhobene Geschäftsklima für Deutschland (Mittwoch) sowie gleich zu Wochenbeginn für die europäischen und amerikanischen Stimmungsdaten aus der Industrie und dem Dienstleistungssektor interessieren. Die steigenden Corona-Zahlen sowie Lieferengpässe in der Industrie dürften die Daten beeinflussen.

Mit dem Ticketvermarkter CTS Eventim, dem Arzneihersteller Dermapharm (beide am Dienstag) und dem Immobilienkonzern Aroundtown (am Mittwoch) legen zudem noch einige Nachzügler der Berichtssaison ihre Geschäftszahlen vor./bek/ajx/stw

--- Von Benjamin Krieger, dpa-AFX ---