FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Sorgen am deutschen Aktienmarkt rund um die Themen Inflation, Leitzinsen und Gasnotstand dürften auch die neue Woche bestimmen. Was dabei während der Notenbankkonferenz in Jackson Hole signalisiert wurde, könnte sich zudem als Wegweiser bis zur Zinsentscheidung in der Euroregion und den USA erweisen, wie Marktexperte Timo Emden vermutet. Zugleich stehen zahlreiche wichtige Konjunkturdaten auf der Agenda, während es unternehmensseitig relativ ruhig zugehen dürfte.

"Die neue Woche wird wohl auch für den Dax maßgeblich von den Ausläufern des Notenbanktreffens und den daraus resultierenden geldpolitischen Erwartungen geprägt sein", glaubt auch Frederik Altmann von der Alpha Wertpapierhandelsbank. In Jackson Hole hatte sich Fed-Chef Jerome Powell gegen eine verfrühte Lockerung der Geldpolitik in den USA ausgesprochen und die Börsen auf einen langwierigen Kampf gegen die extrem hohe Inflation eingestimmt. Das aber hatte am Freitag nur kurzfristig Druck auf die Börsen gebracht. Ein Hochkochen der Ängste über einen womöglich aggressiver als bisher erwarteten Zinsschritt der Europäischen Zentralbank (EZB) löste dann eine deutliche Talfahrt aus. Händler verwiesen auf Medienberichte, dass einige Ratsmitglieder der EZB im September einen Zinsschritt um 0,75 Prozentpunkte befürworteten. Bislang war man von einer Anhebung um 0,5 Prozentpunkte ausgegangen.

Die hierzulande am Dienstag und in der Eurozone am Mittwoch anstehenden Verbraucherpreise könnten womöglich ein solches Vorgehen der Notenbank rechtfertigen. Die Commerzbank geht zwar für August von einem leichten Rückgang der Inflationsrate in der Eurozone aus, "allerdings bedeutet dies nicht, dass damit der Hochpunkt der Inflationsrate bereits hinter uns liegt", heißt es dort. Die Kernteuerungsrate (ohne die schwankungsreichen Preise für Energie, Nahrungs- und Genussmittel) dürfte erneut gestiegen sein und im September könnte die Inflation ein Rekordhoch erreichen.

Wie aggressiv die US-Notenbank gegen die Inflation und mögliche Rezessionstendenzen in den Vereinigten Staaten vorgehen wird, dazu könnten der ISM-Einkaufmanagerindex für die Industrie, der am Donnerstag veröffentlicht wird, und der tags darauf anstehende US-Arbeitsmarktbericht für August weitere Indikationen liefern. Sollte der Arbeitsmarkt wie erwartet eng bleiben, dürfte dies laut Commerzbank-Analyst Christoph Weil der US-Notenbank signalisieren, dass weitere deutliche Zinserhöhungen nötig sind, um den Preisauftrieb zu bremsen.

Dieses Szenario passt aktuell auch zur gedämpften Stimmung an den Börsen. Der Glaube der Anleger an ein weniger aggressives Vorgehen der Fed in puncto Geldpolitik, der noch bis Mitte August vorgeherrscht habe, sei ins Wanken geraten, schreiben die Experten der Landesbank Baden-Württemberg. Die Vorsicht habe die Oberhand gewonnen. Inzwischen werde von einem "klaren Commitment" des Fed-Vorsitzenden Jerome Powell zur Inflationsbekämpfung ausgegangen.

Für erhöhte Nervosität könnte in der neuen Woche außerdem der von Russland unlängst angekündigte dreitägige Gas-Stopp ab Mittwoch sorgen, wie der Marktexperte von Alpha erwartet. Wegen Wartungsarbeiten soll vom 31. August bis zum 2. September kein russisches Gas nach Deutschland fließen. Die Unsicherheit, ob die auf täglich 33 Millionen Kubikmeter Erdgas reduzierten Lieferungen wieder pünktlich aufgenommen werden, ist entsprechend hoch.

Auf der Unternehmensseite sollte die Nachrichtenlage angesichts der Sommerferien dünn bleiben. Am Montag legt das angeschlagene Immobilienunternehmen Adler Group Quartalszahlen vor. Shop Apotheke, die seit Anfang August einen neuen Kurssturz erlebte, dürfte ebenfalls Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Am 1. September will die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Westfalen-Lippe mit dem E-Rezept starten. Die KV Schleswig-Holstein indes hatte vor ein paar Tagen einen Rückzieher gemacht.

Nicht zuletzt rückt auch die Index-Überprüfung für EuroStoxx 50 und Stoxx Europe 50 in den Fokus. In den Leitindex der Eurozone könnten Mitte September die Bank Nordea und der Energieversorger RWE aufsteigen. Abstiegskandidaten sind laut JPMorgan der Aufzugbauer Kone und der Medizintechnikkonzern Philips.

Für den währungsgemischten Stoxx 50 rechnet die US-Bank mit der Aufnahme des Luxusmodeunternehmens Hermes und des Übertragungsnetzbetreibers National Grid. Als Absteiger werden der britische Versicherer Prudential und die italienische Großbank Intesa Sanpaolo gesehen. Die Deutsche-Börse-Tochter Stoxx Ltd. wird etwaige Veränderungen am Donnerstag, 1. September, nach Börsenschluss bekannt geben. In Kraft treten sie am Montag, 19. September./ck/jsl/he

--- Von Claudia Müller, dpa-AFX ---