FRANKFURT (dpa-AFX) - Am deutschen Aktienmarkt ist die jüngste Rekordlaune binnen weniger Tage in Alarmstimmung umgeschlagen. Die Angst vor einer Rezession wegen des Ausbruchs des neuartigen Coronavirus hat den Dax in nur einer Woche zeitweise auf den tiefsten Stand seit August letzten Jahres gedrückt. Inwiefern nun die Talfahrt bald ein Ende finden oder erst einmal weitergehen wird, hängt Experten zufolge stark von den Nachrichten zu dem neuartigen Coronavirus ab. Fachleuten zufolge könnte der deutsche Leitindex durchaus noch etwas weiter absacken. Immerhin seien die Anleger nun nicht mehr so unbekümmert wie zuvor.

"Das Ausbreiten des Coronavirus in Italien war für viele Investoren offensichtlich das Signal, das Risiko einer weltweiten Pandemie einzupreisen", schrieb Aktienanalyst Andreas Hürkamp von der Commerzbank. Die darauf folgenden Kursverluste seien auch deshalb so heftig gewesen, weil zuvor viele Investoren recht sorglos in die Zukunft geschaut hätten.

Nun aber sind die Anleger in der Realität angekommen: Nach dem Ursprungsland China melden immer mehr Staaten Infektionen mit Sars-CoV-2, leiten Quarantänemaßnahmen ein und sagen Großveranstaltungen wie etwa den Genfer Autosalon ab. Die Weltgesundheitsorganisation gestand inzwischen ein, dass der neue Erreger "pandemisches Potenzial" habe und ohne die richtigen Maßnahmen "außer Kontrolle geraten" könnte.

Analyst Christian Kahler von der DZ Bank erwartet, dass die Epidemie negative Auswirkungen haben wird auf die globale Konjunktur und damit auch auf die Gewinnentwicklung der börsennotierten Unternehmen. Anleger sollten deshalb nicht überrascht sein, wenn der Dax in den kommenden Wochen noch stärker fällt. Würde aber der Leitindex vom Jahreshoch bei knapp 13 800 Punkten nur bis auf rund 11 600 Punkte fallen, wäre dies noch eine völlig normale Konsolidierung.

Commerzbank-Experte Hürkamp geht davon aus, dass der Dax im Bereich von 11 800 Punkten einen Boden finden wird, da Stimmungsindikatoren wieder Kaufsignale sendeten. Zudem reagierten Zentralbanken und Regierungen zunehmend mit expansiven Maßnahmen.

Pessimistischer äußerten sich die Chartexperten der Landesbank Helaba: "Der Abgabedruck ist massiv. Eine Entwarnung kann nicht ausgesprochen werden, da zuletzt der 200-Tage-Durchschnitt durchbrochen wurde und zudem der 200-Wochen-Durchschnitt einem Test unterzogen wird." Diese beiden Linien sind Indikatoren für die langfristige Entwicklung des Leitindex.

Damit die deutschen und europäischen Aktienmärkte die Talsohle durchschreiten können, seien vermutlich klare Anzeichen für eine Abflachung der bestätigten Coronavirus-Fälle außerhalb Chinas vonnöten, schrieben die Volkswirte der Bank Unicredit. Nach den neuesten Infektionsstatistiken sei es allerdings "schwer vorstellbar, dass wir bereits in den nächsten Tagen eine Bestätigung für eine solche Entwicklung erhalten werden". Folglich sei die Entwicklung an den Aktienmärkten und damit auch der anhaltende Rückgang der Renditen von US-Schatzpapieren und Bundesanleihen höchstwahrscheinlich noch nicht vorbei.

Die Anleger dürften jedoch in der neuen Woche nicht nur den Nachrichtenticker zum Coronavirus, sondern auch die anstehenden Konjunkturdaten im Blick behalten. So könnten dies- und jenseits des Atlantiks Stimmungsindikatoren wie die Einkaufsmanagerindizes für das verarbeitende Gewerbe am Montag oder für den Dienstleistungssektor am Mittwoch Aufschluss darüber geben, wie groß die Virussorgen aktuell in der Wirtschaft sind. Am Freitag dann werden die aus geldpolitischer Sicht wichtigen US-Arbeitsmarktdaten für Februar veröffentlicht.

Derweil geht die Berichtssaison der Unternehmen in der neuen Woche weiter. Besonders dicht ist die Agenda am Donnerstag. Dann präsentieren mit Continental, Henkel, Merck KGaA und Vonovia gleich vier Dax-Konzerne ihre Geschäftszahlen. Bereits am Dienstag berichtet der Konsumgüterkonzern Beiersdorf über das abgelaufene Quartal.

Darüber hinaus nimmt die Deutsche Börse am Mittwoch die Dax-Familie unter die Lupe und gibt nach Börsenschluss etwaige Änderungen bekannt. Umgesetzt würden diese zum Montag, 23. März.

Während im Dax und im Index der mittelgroßen Werte MDax keine Änderungen erwartet werden, gibt es im Nebenwertebarometer SDax mit dem UV-Technologie-Spezialisten Dr. Hönle und der Heidelberger Druck zwei Kandidaten, die den Regeln der Deutschen Börse zufolge wohl ausgetauscht werden müssen. Ebenfalls auf einem Entnahmeplatz befindet sich Experten zufolge der Kohlenstoffspezialist SGL. Im Gegenzug rechnen Fachleute mit einer Rückkehr des Möbelhändlers Steinhoff in den SDax. Die weiteren Aufsteiger seien jedoch noch unklar./la/ajx/eas

--- Von Lutz Alexander, dpa-AFX ---