BERLIN (AFP)--Die Kölner Kurdin Gönül Örs ist in der Türkei zu einer langen Haftstrafe verurteilt worden, darf aber nach Deutschland zurückkehren. "Das ist ein völlig absurdes Urteil", sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Frank Schwabe der Nachrichtenagentur AFP. Das Gericht in Istanbul habe offenbar mit einer möglichst hohen Strafe "abschrecken" wollen, "aber gleichzeitig war sich die Türkei einer möglichen weiteren Belastung der Beziehung zu Deutschland sehr bewusst".

Örs war 2019 in die Türkei gereist, um ihre dort inhaftierte Mutter Saide Inac zu besuchen, die als Sängerin unter dem Künstlernamen Hozan Cane bekannt ist. Die Justiz verhängte damals eine Ausreisesperre gegen Örs. Später wurde sie festgenommen, kam wieder frei, aber blieb weiter unter Hausarrest.

Es folgte eine Anklage wegen "Terrorpropaganda" und "Mitgliedschaft in einer Terrororganisation". Hintergrund ist Örs' Teilnahme an einer kurdischen Protestaktion auf einem Ausflugsschiff auf dem Rhein im April 2012. Einem Bericht des SWR zufolge übermittelte das Bundeskriminalamt damals Informationen über Örs an die türkischen Behörden.

Ihre Mutter Hozan Cane war kurz vor der türkischen Parlaments- und Präsidentenwahl im Juni 2018 festgenommen worden, als sie in Edirne eine Wahlkampftour der pro-kurdischen Demokratischen Partei der Völker (HDP) begleitete. Später wurde sie wegen "Mitgliedschaft in einer Terrororganisation" zu mehr als sechs Jahren Haft verurteilt. Die Verurteilung Canes ebenso wie die Inhaftierung ihrer Tochter stieß in Deutschland auf scharfe Kritik.

"Ihre enge Beziehung zu ihrer Mutter wurde Gönül zum Verhängnis", erklärte die Kurdische Gemeinde Deutschland. "Dieses willkürliche Gerichtsurteil zeigt offenkundig die Willfährigkeit der türkischen Justiz gegenüber (Präsident Recep Tayyip) Erdogans Herrschaft", fügte der stellvertretende Bundesvorsitzender der Kurdischen Gemeinde, Mehmet Tanriverdi, hinzu.

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June 24, 2021 15:03 ET (19:03 GMT)