Hamburg (Reuters) - Der Betrugsprozess um den VW-Dieselskandal beginnt ohne den früheren Konzernchef Martin Winterkorn.

Das Verfahren gegen den 74-Jährigen werde wegen dessen Gesundheitszustand abgetrennt, teilte das Landgericht Braunschweig am Donnerstag mit. Damit startet die Hauptverhandlung um einen der größten Industrieskandale der vergangenen Jahre kommende Woche (16. September) allein gegen die vier mitangeklagten VW-Manager. Vor Gericht geht es darum, wer die Verantwortung für die millionenfache Manipulation von Dieselabgasen trägt, die fast auf den Tag genau vor sechs Jahren in den USA aufgeflogen war.

Die Staatsanwaltschaft wirft Winterkorn und den vier weiteren VW-Managern vor, von den Dieselmanipulationen gewusst zu haben. Sie müssen sich wegen bandenmäßigen Betrugs und weiterer Straftaten verantworten (Az: 6 KLs 23/19). Die Angeklagten bestreiten nach Angaben aus Justizkreisen entweder, von der Manipulation gewusst zu haben oder sie machen geltend, sie hätten ihre Kenntnis an Vorgesetzte weitergegeben. In einem ähnlichen Verfahren vor dem Landgericht München müssen sich bereits seit einem Jahr der frühere Audi-Chef Rupert Stadler und drei weitere Manager der VW-Tochter verantworten.

Wann der Prozess gegen Winterkorn beginnen kann, steht noch nicht fest. Das Gericht erklärte, eine Prognose, wann Winterkorn nach einer jüngst erfolgten Operation wieder vollständig oder zumindest eingeschränkt verhandlungsfähig sein werde, sei derzeit nicht möglich. Die Gesamtverfahrensdauer werde sich durch die Abtrennung jedenfalls nicht verdoppeln. Hätte erst das Prozessende gegen die vier Mitangeklagten abgewartet werden sollen, würde das Verfahren gegen Winterkorn wohl erst in der zweiten Jahreshälfte 2023 beginnen.

Das Gericht erklärte, in beiden Verfahren seien nur die Sachverhalte aufzuklären, die für die Strafbarkeit des jeweiligen Angeklagten bedeutsam seien. Laut Anklage habe Winterkorn erst verhältnismäßig spät von den eventuellen Manipulationen erfahren. Dementsprechend beziehe sich der Vorwurf gegen ihn auf weniger als ein Prozent der circa neun Millionen Fahrzeuge, die nach Auffassung der Staatsanwaltschaft von den Manipulationen betroffen gewesen sein sollen.

Ursprünglich hatte das Verfahren bereits im Februar 2021 beginnen sollen, wurde aber wegen der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie mehrmals verschoben.

Volkswagen hatte im September 2015 auf Druck der US-Umweltbehörde EPA zugegeben, millionenfach Diesel-Abgaswerte durch eine Abschalteinrichtung manipuliert zu haben. Diese sorgt dafür, dass Diesel-Abgase die Stickoxidgrenzwerte auf dem Prüfstand einhalten, auf der Straße aber ein Vielfaches dieser giftigen Abgase ausstoßen. Die Wiedergutmachung kostete Volkswagen bislang mehr als 32 Milliarden Euro, vor allem Strafen und Schadensersatzzahlungen in den USA.