Von Hans Bentzien

FRANKFURT (Dow Jones)--Der russische Krieg gegen die Ukraine wird sich nach Einschätzung des Branchenverbands VDMA im Maschinen- und Anlagenbau deutlich auswirken und die noch nicht überwundenen Schwierigkeiten in den Lieferketten abermals verschärfen. Laut einer aktuellen Umfrage des VDMA unter seinen Mitgliedsfirmen, die Anfang März durchgeführt wurde, sehen 85 Prozent der knapp 550 Teilnehmer den Krieg als gravierendes oder merkliches Risiko für ihre Geschäfte. Der VDMA senkt seine Produktionsprognose für 2022 auf 4 (bisher: 7) Prozent.

"Für den Maschinen- und Anlagenbau ist die Geschäftstätigkeit mit Russland zwar nicht existenziell, aber die Unternehmen werden für den russischen Angriffskrieg, der durch nichts zu rechtfertigen ist, einen Preis zahlen müssen", sagt VDMA-Präsident Karl Haeusgen. Vorrangig gehe es jetzt für viele Firmen darum, die Sicherheit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Ukraine und auch in Russland zu gewährleisten.

Das Volumen der deutschen Maschinenbauexporte in die Ukraine und nach Russland bezifferte der VDMA-Präsident auf 7 Milliarden Euro, wovon 40 Prozent (Ukraine) und 30 Prozent (Russland) auf Landmaschinen entfielen. Hinzu kämen nicht bezifferbare Zweit- und Dritteffekte. Haeusgen zufolge liegt die internationale wirtschaftliche Bedeutung sowohl der Ukraine als auch Russlands vor allem in ihrer Rolle als Lieferant von Lebensmitteln. "Fehlende Ersatzteillieferungen für Landmaschinen würden erhebliche Ernteausfälle verursachen", sagte er.


   Maschinenbauer stellen sich auf längere Lieferkettenstörungen ein 

Die deutschen Maschinenbauer müssen sich laut VDMA auf weitere Lücken in den Lieferketten einstellen. Das ziehe sich durch die gesamte Produktion bis hin zur Auslieferung und Inbetriebnahme. "Die Lieferkettenprobleme dauern länger und werden heute intensiver wahrgenommen, so dass wir davon ausgehen, dass die Bremswirkungen durch Lieferketteneffekte in diesem Jahr größer sind als ursprünglich angenommen", sagte Haeusgen.

Dabei werden Engpässe in den Zulieferungen hauptsächlich bei Elektronikkomponenten registriert (52 Prozent gravierend, 28 Prozent merklich) sowie bei Metallerzeugnissen (10 Prozent gravierend, 44 Prozent merklich). Die Zulieferungen für die eigene Produktion kommen demnach deutlich verzögert in den Werkshallen an: Bei Elektronikkomponenten berichten 31 Prozent der Unternehmen von einer um mindestens sechs Monate verlängerten Wartezeit, bei weiteren 30 Prozent der Firmen sind es drei bis sechs Monate Verzug.

Auf Metallerzeugnisse wartet etwa jedes dritte Unternehmen ein bis drei Monate länger, weitere 21 Prozent warten mindestens drei Monate. Eine Entspannung der Engpässe wird vorbehaltlich der Kriegsfolgen insbesondere für Metallerzeugnisse erst ab dem zweiten Halbjahr erwartet. Bei Elektronikkomponenten gehen zwei Drittel der Unternehmen sogar erst ab dem Jahr 2023 von einer Besserung der Lage aus.


   Unternehmen arbeiten an Diversifizierung von Zulieferungen 

Gut drei Viertel der Unternehmen haben laut VDMA aus den jüngsten Erfahrungen gelernt und stellen ihre Lieferketten kritisch auf den Prüfstand. Die meisten von ihnen möchten künftig ihre Versorgungssicherheit durch ein breiteres Lieferantennetzwerk, veränderte Beschaffungsprinzipien oder eine erhöhte Lagerhaltung gewährleisten. Auch eine andere geografische Verteilung der Lieferanten spielt in vielen Betrieben eine Rolle.

Haeusgen räumte in diesem Zusammenhang ein, dass der deutsche Maschinenbau wegen seiner starken Abhängigkeit von China ein "Klumpenrisiko" habe. Es sei daher wichtig, dass die Gesprächskanäle nach China immer offen blieben, sagte er.

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March 11, 2022 03:00 ET (08:00 GMT)