FRANKFURT (Dow Jones)--Die chemisch-pharmazeutische Industrie in Deutschland stellt sich angesichts hoher Energie- und Rohstoffpreise und sinkender Nachfrage 2023 auf "ein dunkles Jahr mit trüben Aussichten" ein. Der Präsident des Branchenverbandes VCI, Markus Steilemann, nannte die Lage auf der Jahrespressekonferenz "dramatisch".

Die drittgrößte deutsche Industriebranche leidet wegen ihres hohen Energiebedarfs besonders unter den Preissteigerungen infolge des russischen Angriffkriegs in der Ukraine. Zwar ist es bisher nicht zu einer Gasmangellage gekommen, doch sind einige Produkte wegen hoher Kosten nicht mehr profitabel herzustellen. Die Produktion im zu Ende gehenden Jahr sank deshalb im Vergleich zum Vorjahr um 6 Prozent, wie der VCI mitteilte, und damit noch stärker als prognostiziert (minus 5,5 Prozent).

Demgegenüber wuchs der Umsatz der Branche noch um 17,5 Prozent auf 266,5 Milliarden Euro, weil die Betriebe angesichts hoher Nachfrage zumindest in der ersten Jahreshälfte noch höhere Preise durchsetzen konnten. Die Erzeugerpreise lagen um 22 Prozent über dem Vorjahreswert. Doch da die Verkaufspreise nicht so stark stiegen wie die Kosten, verzeichnen laut einer Mitgliederbefragung mittlerweile rund 80 Prozent der Unternehmen rückläufige Gewinne. Jedes vierte Unternehmen macht demnach bereits Verluste. Insbesondere der Mittelstand sei betroffen.

Zwei Drittel der Mitgliedsunternehmen machte im November laut VCI der Auftragsmangel zu schaffen; über 25 Prozent sahen ihre Geschäftstätigkeit dadurch sogar stark beeinträchtigt. Um größere Verluste zu vermeiden und Energie einzusparen, hätten viele Unternehmen ihre Produktion gedrosselt. 40 Prozent der Unternehmen gaben an, die Produktion bereits zurückgefahren zu haben oder dies in Kürze tun zu wollen. Ein Teil davon sei an ausländische Standorte verlagert worden. Zudem habe jedes fünfte Unternehmen wegen der Energiekrise Aufträge ablehnen müssen.

"Weil die Chemie mit angezogener Handbremse produzieren muss, werden einzelne Grundstoffe bereits knapp", sagte Steilemann, der auch Vorstandschef des Kunststoffherstellers Covestro ist. Rund die Hälfte der Mitgliedsunternehmen habe im November von Lieferschwierigkeiten berichtet. Es fehle unter anderem an Pigmenten, Carbon- und Glasfasern, Salzsäure, Natronlauge, technischem CO2, organischen Silikonverbindungen oder Eisenchlorid.

Für das kommende Jahr erwartet der VCI keine Besserung der Lage. "Die Ertragslage der gesamten Branche hat sich im Jahresverlauf rapide verschlechtert. Und die Vorzeichen für das kommende Jahr stehen denkbar schlecht. Der Rückgang der Industrieproduktion in Deutschland wird sich weiter beschleunigen, der Importdruck weiter zunehmen", erklärte Steilemann.

Deswegen rechnet der VCI für 2023 mit einem weiteren kräftigen Produktionsrückgang in der chemisch-pharmazeutischen Industrie sowie einem aller Voraussicht nach rückläufigen Umsatz. Im Inlandsgeschäft erwartet der VCI einen kräftigen Rückgang. Aufgrund der volatilen Lage traut sich der Verband über diese Einschätzung hinaus keine quantitative Prognose zu.

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December 15, 2022 04:00 ET (09:00 GMT)