Bern (awp/sda) - Die verheerenden Unwetter, die seit dem letzten Wochenende über Teile der Schweiz gezogen sind, haben eine Schadenssumme von mindestens 260 Millionen Franken zur Folge. Zehntausende Schadenfälle wurden den Versicherungsgesellschaften wegen der aussergewöhnlichen Wetterlage gemeldet, weit mehr als in anderen Jahren.

Allem voran wurden den Versicherern Schäden an Fahrzeugen wie Hagelbeulen und weggeschwemmte Autos sowie Gebäudeschäden und in Mitleidenschaft gezogener Hausrat gemeldet, wie eine Umfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA am Freitag bei mehreren Versicherungsgesellschaften ergab.

Alle befragten Versicherer bestätigten, dass es aussergewöhnlich sei, dass an so vielen aufeinanderfolgenden Tagen Unwetterschäden gemeldet würden.

Auch nach Angaben der Wetterdienste hat es der Juni 2021 in sich: Wegen der anhaltenden Zufuhr feuchtwarmer Luft seien markante Niederschlagsmengen und viele Blitze registriert worden, schrieb Meteoschweiz. Von Starkregen und Hagel waren vor allem der Kanton Bern und die Westschweiz betroffen.

Allein die Mobiliar geht nach einer ersten Hochrechnung von einer Gesamtschadensumme von rund 100 Millionen Franken aus, wie es auf Anfrage hiess. Der Versicherung seien bisher über 10'000 Schäden gemeldet worden, man gehe aber davon aus, dass sich diese Zahl noch mehr als verdoppeln werde.

Das Ausmass der Schäden sei aussergewöhnlich hoch, schrieb die Mobiliar. An das Rekordjahr 2005 kämen die Zahlen allerdings nicht heran. Damals habe alleine die Mobiliar Schäden von 500 Millionen Franken beglichen.

Westschweiz stark betroffen

Die Allianz Suisse rechnet mit rund 10'000 Schadenfällen. Sie geht von einer schweizweiten Schadenssumme von 32 Millionen Franken aus, 26 Millionen Franken davon entfallen auf die Westschweiz, die dieses Mal hart getroffen worden sei. Grund dafür sei die aussergewöhnliche Grösse der Hagelkörner, diese waren teils so gross wie Golfbälle. Für die Allianz Suisse zählten die Unwetter der letzten Tage sicherlich zu den schwersten seit 2013, hiess es.

Die Axa geht bis und mit Mittwoch von rund 16'500 Schadenfällen mit einer Schadensumme von rund 65 Millionen Franken aus. Die Anzahl Schäden innerhalb einer Woche ist auch für diese Versicherungsgesellschaft ungewöhnlich, wie es hiess. Bei der Generali-Versicherung wurden bisher 1500 Schäden mit einer Schadensumme von etwa 6 Millionen Franken gemeldet.

Bei der Versicherung Schweizer Hagel gingen seit letztem Freitag über 3500 Meldungen mit einer Schadensumme von insgesamt 24 Millionen Franken ein, wie es auf Anfrage hiess. Betroffen seien Ackerkulturen, Gemüse- und Obstbau, Gärtnereien, Reben und Grasland und Tabakpflanzen in Westschweizer Kantonen sowie den Kantonen Bern, Solothurn, Baselland und Aargau.

GVB Bern: 25 Millionen Franken

In vielen Kantonen sind die Kantonalen Gebäudeversicherungen für Schäden an Immobilien zuständig. Auf Anfrage waren noch nicht bei allen kantonalen Stellen definitive Zahlen für die vergangenen Tage zu erhalten.

Doch allein die Gebäudeversicherung des Kantons Bern geht von einer Schadenssumme von 25 Millionen Franken für die vergangenen Tage aus. Und für den Hagel und die Überschwemmungen, die am Montag die Neuenburger Region um Cressier heimsuchten, rechnet die Kantonale Gebäudeversicherung mit rund 400 Schäden in der Höhe von 15 Millionen Franken.

Haushalte, die durch die Unwetter besonders schwer in Mitleidenschaft gezogen wurden, können via Gemeinden bei der Glückskette einen Unterstützungsantrag stellen, wie diese mitteilte. Diese Unterstützungsbeiträge würden dem Fonds für Naturkatastrophen in der Schweiz entnommen, welcher aus Überschüssen früherer Sammlungen bestehe.

Bahnlinien betroffen

Schweizweit hielten die Unwetter seit Tagen hunderte Feuerwehren auf Trab, die im Einsatz standen, um überflutete Keller auszupumpen oder Schlamm wegzuräumen - Folgen der starken Niederschläge. Alleine in Aarau fiel im Juni mit 227,2 Millimetern das Doppelte der üblichen Regenmenge. In Rüegsau BE stand das Wasser in Kellern bis fast zur Decke. Der Gemeindepräsident sagte am Freitagmorgen auf Anfrage, das Ausmass der Überschwemmungen sei grösser als bei den Unwettern von 2003 und 2007.

Wegen des hohen Wasserstandes stellt die Aareschifffahrt zwischen Biel und Grenchen den Betrieb am Samstag vorübergehend ein. In den kommenden Tagen werde sehr viel Wasser aus dem Bielersee in die Aare abgeführt, hiess es.

In Mitleidenschaft gezogen wurden in den vergangenen Tagen auch Strassen und Bahnlinien, darunter die Bahnhöfe Zürich Flughafen und Aarau, die von Wassermassen überschwemmt wurden. Im Berner Jura und Oberland kam es zu Störungen im Betrieb wegen Erdrutschen und Hagel. Einzelne Linien waren am Freitag, am ersten Tag ohne Blitze und Regen seit über einer Woche, noch nicht in Betrieb.

Das Wochenende verspricht eine vorübergehende Entspannung der Wetterlage. Doch bereits kommende Woche werden laut Wetterddiensten weitere Gewitter und starken Niederschlägen erwartet.