BERLIN/MOSKAU (dpa-AFX) - Die deutsche Wirtschaft ist nach einer Umfrage unter Unternehmen zutiefst besorgt über die politische Krise zwischen Berlin und Moskau. 70 Prozent der befragten Unternehmen stellten eine Verschlechterung in den Beziehungen fest, teilte der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft am Mittwoch mit. Im vorigen Jahr habe der Wert bei 8 Prozent gelegen. "Das ist eine dramatische Veränderung", sagte Ausschussvorsitzender Oliver Hermes. Auch mit Blick auf die Geschichte beider Länder müsse die Verständigung zwischen Berlin und Moskau trotz aller Differenzen "Staatsräson" bleiben, meinte er.

Nach der neuen Geschäftsklima-Umfrage Russland sehen 69 Prozent der befragten Unternehmen eine Eintrübung der Aussichten - vor allem wegen der Corona-Krise. Als wichtigste Störfaktoren nannten sie auch den massiven Wertverlust des Rubel sowie die Reisebeschränkungen durch die Pandemie. Zwischen Deutschland und Russland gibt es keinen regulären Reiseverkehr. Auch die Sanktionen gegen Russland im Zuge des Ukraine-Konflikts drückten weiter die Stimmung, hieß es.

"Der Rubel muss wieder stabiler werden", sagte Hermes. Zudem müsse Russland seinen wegen der Pandemie-Folgen angekündigten nationalen Wiederaufbauplan umsetzen. Das Land verfüge über "starke Finanzpolster", sagte der Präsident der deutsch-russischen Auslandshandelskammer (AHK), Rainer Seele. Es gebe damit ein "gutes Potenzial" für notwendige weitere Stützungsmaßnahmen des Staates für die russische Wirtschaft. 2021 könne dann für Russland ein Jahr des wirtschaftlichen Aufschwungs werden.

Nach der Umfrage sah Seele weiter eine hohe Bereitschaft bei Firmen, in Russland zu investieren. Hoch eingeschätzt würden etwa die Wachstumschancen im IT-Bereich. Erwartungsgemäß fast durchweg Zustimmung gab es zur Ostseepipeline Nord Stream 2. Seele, der als Chef des Energiekonzerns OMV Investor bei dem Milliardenprojekt ist, und Hermes forderten eine Fertigstellung der schon zu über 90 Prozent gebauten Gasleitung von Russland nach Deutschland.

Die Gasleitung sei als "Brückentechnologie" notwendig für die Energieversorgung, sagte Seele. "Die Fertigstellung ist von höchster Priorität", sagte Hermes. Zudem könne die Leitung künftig auch zu 70 Prozent mit Wasserstoff befüllt werden. Es sei jetzt an dem gewählten US-Präsidenten Joe Biden, das von der EU genehmigte Wirtschaftsvorhaben nicht weiter zu behindern, sagte er. Der Bau war wegen US-Sanktionen vor einem Jahr gestoppt worden./mau/DP/zb