--Autogipfel: Industrie braucht bei Transformation Hilfe

--Bundesregierung gibt 3 Milliarden an frischem Geld

--Kaufprämie für E-Autos wird bis 2025 verlängert

--Abwrackprämie für ältere Lkws

--Zukunftsfonds soll beim Strukturwandel der Industrie helfen

(Neu: Ende des Autogipfels, Reaktionen)

Von Andrea Thomas

BERLIN (Dow Jones)--Die Bundesregierung will die Autoindustrie mit 3 Milliarden Euro zusätzlich stützen, um ihr damit durch die coronabedingte Rezession und bei der Mobilitätswende hin zu unfreundlicheren Antrieben zu helfen. So soll die Kaufprämie für Elektroautos bis 2025 verlängert, eine Abwrackprämie für Nutzfahrzeuge und ein Zukunftsfonds für die Transformation der Industrie bereitgestellt werden, verkündeten mehrere Minister unmittelbar vor dem Gipfel der Bundesregierung mit der Automobilindustrie.

Beim Autogipfel ging es um die Stärkung der deutschen Schlüsselindustrie im aktuellen Strukturwandel hin zu klimafreundlicher Verkehrstechnologie. Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie Vertreter aus Politik, der Automobilindustrie und den Gewerkschaften waren sich einig, dass es einer Unterstützung der Transformation des Sektors und einer Stärkung der Wertschöpfungsketten bedarf, erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert nach dem Treffen.

"Um die Folgen der Krise zu überwinden und gleichzeitig die strukturellen Herausforderungen erfolgreich zu bestehen, muss aber der Wandel der Branche entlang der gesamten Wertschöpfungskette vorangetrieben werden", so Seibert. Auch müssten Beschäftigte durch Qualifizierung und Weiterbildung nachhaltig in neue, veränderte Tätigkeiten begleitet werden. Insbesondere kleine und mittlere Zulieferunternehmen müssten bei der Transformation begleitet werden.

Von den 3 Milliarden fließen je rund 1 Milliarde in die Kaufprämie für E-Autos, in die Abwrackprämie für Lkw und in den "Zukunftsfonds Automobilindustrie". Rund 2 Milliarden Euro in Hilfen wurden jüngst bereits mit dem Corona-Konjunkturpaket angekündigt.


   Finanzminister sieht in Hilfe Zukunftsinvestitionen 

Bundesfinanzminister Olaf Scholz verteidigte das Hilfspaket. "Wir müssen den notwendigen Umstieg auf klimafreundliche Antriebe verbinden mit dem Erhalt von Arbeitsplätzen. Genau dafür leisten wir unseren Beitrag", sagte Scholz der Rheinischen Post. "Das sind gute Zukunftsinvestitionen, die sich für künftige Generationen bezahlt machen."

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier machte deutlich, dass dies kein Automobilgipfel wie jeder andere sei. "Wir alle sind uns bewusst, dass sich die Branche in einer schweren Phase befindet, die Hunderttausende, ja Millionen von Arbeitsplätzen betrifft", sagte Altmaier zum Hilfspaket der Bundesregierung, das er zusammen mit seinen Kollegen vom Bundesverkehrs-, Bundesumwelt- und Bundesarbeitsministerium vor dem Autogipfel der Presse vorstellte. "Deshalb wollen wir heute Abend ein klares Signal geben."


 Schulze erwartet weiteren Schub für Elektromobilität 

Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) lobte den Beschluss zur Verlängerung der Kaufprämie für E-Autos. "Das wird den Schub für die Elektromobilität nochmals deutlich verstärken und es hilft uns im Verkehrssektor beim Klimaschutz", sagte sie.

Bei dem Treffen versicherte die Automobilindustrie, sie werde ihren Beitrag zur Erreichung der Pariser Klimaziele leisten. "Die Dekarbonisierung des Mobilitätssektors ist ein zentraler Bestandteil des Klimaschutzes und muss als Chance für Innovation und Wertschöpfung ausgestaltet und genutzt werden", so Seibert.

Die aktuelle Kaufprämie für E-Autos wäre Ende 2021 ausgelaufen. Der Kauf von E-Autos wird mit bis zu 9.000 Euro gefördert, 6.000 Euro kommen vom Staat, die Autoindustrie gibt weitere 3.000 Euro dazu. Insgesamt werden nicht nur reine E-Autos, sondern auch Plug-in-Hybride staatlich gefördert, die sowohl einen Elektroantrieb als auch einen Verbrennungsmotor haben. Auch Plug-in-Hybride sollen weiter gefördert werden.

Die Analysten von LBBW Research erwarten, dass der Fördertopf der Bundesregierung im Umfang von rund 4 Milliarden Euro wegen der hohen Nachfrage nach E-Autos bereits Anfang 2022 ausgetrocknet sein könnte. Sie forderten, dass der Staat noch einmal 2 bis 4 Milliarden Euro an staatlicher Förderung in die Hand nehmen soll, um den Verkauf der Elektroautos bis zum Jahr 2025 zu fördern.


 Abwrackprämie für Lkw 

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer erklärte zudem, man habe seinem jüngst vorgestellten Vorschlag für eine Abwrackprämie für ältere Lkw zustimmt. Bis 2023 sollen insgesamt rund 1,2 Milliarden Euro bereitgestellt werden. Damit wird neben der Anschaffung von Lkw mit Elektro- und Wasserstoffantrieb auch die Anschaffung von fabrikneuen Lkw mit konventionellen Antrieben gefördert, die die Anforderungen der aktuellen Abgasstufe Euro VI erfüllen und zusätzlich bestimmte Umweltvorteile aufweisen. Voraussetzung ist aber, dass gleichzeitig ein alter Lkw der Abgasstufen Euro III, IV und V verschrottet wird.

Die Deutsche Umwelthilfe kritisierte vor dem Treffen die geplante Milliarden-Subvention für aus ihrer Sicht klima- und gesundheitsschädliche Lkw. Sie befürchtet beim Autogipfel eine "erneute Selbstbedienung aus der Staatskasse" seitens der Autokonzerne. "Anstatt Gütertransporte auf der Straße zu verteuern, will Verkehrsminister Scheuer Diesel-Lkw mit knapp einer Milliarde Euro subventionieren", monierte die Umwelthilfe.


 Jobs für die Zukunft sichern 

Die Bundesregierung will 1 Milliarde Euro für den "Zukunftsfonds Automobilindustrie" zur Verfügung stellen. Dieser soll in erster Linie die mittel- und langfristigen Herausforderungen der Automobilindustrie adressieren. Auf Bundesebene solle eine strategische strukturpolitische Orientierung für den Standort Deutschland erarbeitet werden.

Auch solle der Ausbau der Ladeinfrastruktur mit aller Kraft vorangetrieben werden, so Seibert. Mit dem "Green Deal" werde der Bedarf an Ladepunkten in Deutschland und Europa noch zunehmen. Festgehalten wurde am Ziel, bis Ende 2021 50.000 zusätzliche Ladepunkte zu errichten. Dies bedeute dann rund 72.000 öffentlich zugängliche Ladepunkte. "Die Bundesregierung erwartet dazu von der Automobilindustrie bis Ende 2021 einen signifikanten Beitrag der zugesagten 15.000 öffentlich zugänglichen Ladepunkte", so Seibert. Geplant sei auch eine Ausrüstung von mindestens 25 Prozent aller Tankstellen mit Schnelllade-Infrastruktur bis Ende 2022, von mindestens 50 Prozent bis Ende 2024 und mindestens 75 Prozent bis Ende 2026.

An dem Autogipfel nahmen Merkel, Bundesfinanzminister Olaf Scholz, einige Ministerpräsidenten, der Chef der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität, Henning Kagermann, sowie die Vorstandsvorsitzenden von BMW, Daimler und Volkswagen teil. Auch die Zulieferer Bosch und Continental sowie Vertreter der IG Metall waren dabei.

Kontakt zur Autorin: andrea.thomas@wsj.com

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November 17, 2020 16:29 ET (21:29 GMT)