--Weidmann bittet Steinmeier um Entlassung

--Rücktritt erfolgt aus "persönlichen Gründen"

--Amtszeit wäre erst in fünf Jahren ausgelaufen

(NEU: Ausblick, Stimmen von Ökonomen)

Von Andreas Plecko und Tom Fairless

FRANKFURT (Dow Jones)--Bundesbankpräsident Jens Weidmann, der als Mitglied des Zinsausschusses ein prominenter Kritiker der lockeren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) war, wird Ende des Jahres ausscheiden, fünf Jahre bevor seine Amtszeit an der Spitze der deutschen Zentralbank enden sollte. Weidmann habe Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier um seine Entlassung aus dem Amt zum 31. Dezember gebeten, hieß es in einer Mitteilung der Bundesbank.

Der Rücktritt erfolge aus persönlichen Gründen. Weidmann stand seit Mai 2011 an der Spitze der Bundesbank. "Ich bin zur Überzeugung gelangt, dass mehr als zehn Jahre ein gutes Zeitmaß sind, um ein neues Kapitel aufzuschlagen - für die Bundesbank, aber auch für mich persönlich", zitierte die Bundesbank aus einem Brief Weidmanns an die Mitarbeiter.

Weidmann war einer der Hauptkandidaten für die Nachfolge des Italieners Mario Draghi als EZB-Präsident im Jahr 2019, aber der Posten ging schließlich an die ehemalige Direktorin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde. Draghi ist jetzt Ministerpräsident von Italien.

Weidmann verlässt das Amt etwa zur gleichen Zeit wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), für die er als Wirtschaftsberater in Berlin tätig war, bevor er im Mai 2011 die Leitung der Bundesbank übernahm. In seiner Abschiedserklärung forderte Weidmann seine EZB-Kollegen auf, "die möglichen Inflationsgefahren" nicht aus den Augen zu verlieren.

Weidmann löste im Mai 2011 Axel Weber als Chef der Bundesbank ab. Zuvor war Weidmann von 2006 bis 2011 Leiter der Abteilung Wirtschafts- und Finanzpolitik im Bundeskanzleramt und dabei auch persönlicher Beauftragter der Bundeskanzlerin für die Weltwirtschaftsgipfel der G8- und G20-Staaten.

Die Nachfolge von Weidmann liegt jetzt in den Händen der nächsten Bundesregierung, die voraussichtlich Ende des Jahres ihr Amt antreten und wahrscheinlich von Olaf Scholz (SPD), dem derzeitigen Finanzminister, als Kanzler geführt wird. Scholz hat während seiner Wahlkampagne die Kontinuität der Wirtschaftspolitik betont, aber seine Berater sind bekannt dafür, taubenhafter zu sein als Weidmann.

Berenberg-Ökonom Holger Schmieding rechnet nicht damit, dass an der Geldpolitik viel ändert, denn Weidmann sei im EZB-Rat bereits in der Minderheit gewesen. "Die neue Bundesregierung wird wahrscheinlich einen weniger falkenhaften Nachfolger ernennen; vielleicht Isabel Schnabel (derzeit im EZB-Direktorium) oder jemand mit ähnlichen Mainstream-Ansichten. Weidmanns Rücktritt könnte die Debatte innerhalb der EZB ein wenig mehr in Richtung der Tauben kippen. Aber nicht sehr viel", meinte Schmieding.

Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer sieht einen wichtigen Faktor für den Rücktritt von Weidmann darin, dass sich der Bundesbank-Präsident im EZB-Rat mit seinen Vorstellungen häufig nicht habe durchsetzen können. Daher werde ein Nachfolger wohl weniger falkenhaft sein als Weidmann. Zwar verweise Weidmann auf persönliche Gründe für seine Entscheidung. Auffällig sei jedoch, dass Aussagen über die Geldpolitik in seinen Schreiben einen breiten Raum einnehmen. Die Commerzbank erwartet jetzt mehr denn je, dass die EZB auf absehbare Zeit nicht aus ihrer sehr expansiven Geldpolitik aussteigt, obwohl die Inflationsrisiken zuletzt deutlich gestiegen sind.

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October 20, 2021 08:17 ET (12:17 GMT)