--SPD wirft Union Blockade beim Klimaschutz vor

--Opposition fordert deutlich mehr Mittel für Klima-Maßnahmen

--Söder fordert "Generalrenovierung"

(NEU: Mehr Details, Zitate Scholz, Söder)

BERLIN (Dow Jones)--Das Karlsruher Urteil zum Klimaschutzgesetz hat zwischen Union und SPD in der Bundesregierung ein Wettrennen um das bessere Konzept ausgelöst. Sowohl Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) als auch Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) kündigten rasche Maßnahmen an, um die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts mit Blick auf das Klimaziel 2050 umzusetzen.

Scholz erklärte, er und Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) hätten sich vorgenommen, "jetzt sehr schnell eine Gesetzesänderung vorzubereiten für die Beratung der Bundesregierung". Das Klimaschutzgesetz müsse so verändert werden, "dass es den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes entspricht und den Anforderungen, die wir für eine gute Zukunft haben".


   SPD beklagt früheren Widerstand aus dem Wirtschaftsministerium 

Es sei "heute ein ganz besonderer Tag". Karlsruhe habe "eine weitreichende Entscheidung für die Zukunft auch unseres Planeten getroffen, natürlich auch für die Zukunft unseres Landes". Wichtig sei, jetzt die Konsequenzen aus dem Urteil zu ziehen. Ein weitreichender Vorschlag von Schulze sei zuvor "am Widerstand auch aus dem Wirtschaftsministerium gescheitert".

Laut der SPD-Umweltministerin hatten es CDU/CSU verhindert, ein Ziel für 2040 festzulegen und damit den Pfad Richtung Treibhausgasneutralität genauer zu beschreiben. Schulze ergänzte bei Twitter, sie hätte gerne auch noch ein weiteres Zwischenziel für die 2030er Jahre in das Gesetz aufgenommen. Doch dafür habe es damals keine Mehrheit gegeben. "Insofern ist es gut, dass das Bundesverfassungsgericht nun ein solches Wegducken vor der Zukunft ausschließt", so die SPD-Politikerin.


   Altmaier kündigt Vorschläge für kommende Woche an 

Kurz zuvor hatte Altmaier eine eigene, ähnliche Initiative zur Korrektur des nun für teils verfassungswidrig erklärten Klimaschutzgesetzes in Aussicht gestellt. "Ich werde in der nächsten Woche meinen Kollegen in der Bundesregierung Vorschläge unterbreiten, wie wir dafür sorgen können, dass die Bemühungen um mehr Klimaschutz nicht unterbrochen werden", sagte er in Berlin.

Ziel sei, trotz der Bundestagswahl Ende September und der anschließenden Zeiten für die Bildung einer neuen Regierung zu einem neuen Kompromiss zu kommen. Die Entwicklung hin zur Klimaneutralität müsse gemeinsam mit einer erfolgreichen Wirtschaftspolitik zu den Erfolgsgeschichten der nächsten Jahre gehören. Der CDU-Politiker erneuerte zugleich seinen bereits im vergangenen September ausgesprochenen Ruf nach einem parteiübergreifenden Konsens.

Als "wuchtig, aber richtig" bezeichnete Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. "Es ist jetzt eine positive Chance". Noch nie habe ein Gericht so eindrücklich den Generationenvertrag eingefordert. Er persönlich sei "da sehr dankbar dafür". Die Union solle "bei dem Thema Schrittmacher sein".


   Söder will auch bayerisches Klimaschutzgesetz überprüfen 

Wichtig sei, ein Modell zu entwickeln, das Klimaschutz und Wirtschaft vereine. "Der Violinenschlüssel der Zukunft bedeutet Arbeitsplätze zu sichern mit Klimaschutz. Deshalb muss bei den einzelnen Themen noch einmal alles auf den Prüfstand." Man solle das ohne Tabus diskutieren. "Es braucht für das deutsche, aber auch für das bayerische Klimaschutzgesetz jetzt eine Generalrenovierung", sagte Söder.

Die Opposition forderte als Konsequenz aus dem Urteil deutlich mehr Investitionen in den Klimaschutz. "Grüne Null und schwarze Null geht nicht", erklärte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken, Fabio De Masi. Die nötigen Maßnahmen müssten künftig auch über Kredite finanziert werden, um wesentlich höhere Kosten in der Zukunft zu vermeiden. Die Schuldenbremse und der Fiskalpakt seien deshalb "nicht mehr zeitgemäß" und müssten "durch eine goldene Regel ersetzt werden", so De Masi.


   Baerbock fordert konsequentes Handeln 

Grünen-Chefin Annalena Baerbock sieht in dem Urteil einen konkreten Auftrag für das Hier und Heute. Das Klimaschutzgesetz müsse jetzt überarbeitet werden, erklärte die Kanzlerkandidatin ihrer Partei bei Twitter. "Die nächsten Jahre sind entscheidend für konsequentes Handeln." Der klimapolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Lukas Köhler, twitterte, das Urteil sei ein "klarer Auftrag für die nächste Regierung".

Die "Fridays for Future"-Bewegung erklärte, dass das Bundesverfassungsgericht mit der Klimaklage bestätigt habe, was die Naturwissenschaft seit Jahren zeige. "Aufschieben und unzureichende Klimaziele gefährden nicht nur die Natur, sondern unser Recht auf Leben und das Recht auf Zukunft", erklärte Aktivistin Line Niedeggen.

Das Bundesverfassungsgericht hatte einer Klage gegen das Klimaschutzgesetz der Bundesregierung teilweise stattgegeben, die unter anderem von Fridays for Future, dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der Deutschen Umwelthilfe (DUH) sowie Greenpeace unterstützt wurde. Der Gesetzgeber müsse den Pfad zur geplanten Klimaneutralität ab 2030 genauer regeln, forderten die Richter.

Kontakt zur Autorin: petra.sorge@wsj.com

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April 29, 2021 08:56 ET (12:56 GMT)