--Bis zu 200 Milliarden Euro werden mit Kreditaufnahme finanziert

--WSF erhält neue Kreditermächtigungen

--Erneute Ausnahme von der Schuldenbremse geplant

--Scholz: Spannen großen Abwehrschirm, damit Energiepreise sinken

(NEU: weitere Details und Aussagen von der Pressekonferenz)

Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones)--Die Bundesregierung hat sich auf eine 200 Milliarden Euro starke Energiepreisbremse geeinigt, die über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) mit einer Ausnahme von der Schuldenregel finanziert werden soll. "Die Preise müssen runter, das ist unsere ganz entschiedene Überzeugung", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei einer Pressekonferenz, zu der er per Video zugeschaltet war. "Damit die Preise sinken, spannen wir jetzt einen großen Abwehrschirm", kündigte er an. Dieser werde gespeist aus dem neu dazu benutzten WSF, der mit bis zu 200 Milliarden Euro dafür ausgestattet werde. Diese wolle man "mit Kreditaufnahme finanzieren".

Die Gasumlage entfalle. "Sie wird nicht mehr gebraucht", sagte Scholz. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte bei der Pressekonferenz im Kanzleramt, das Umlaufverfahren zur Abschaffung der Gasumlage sei eingeleitet worden. Die geplante Mehrwertsteuersenkung auf Gas bleibe aber erhalten. Die Maßnahmen sollten bis zum Ende des Winters 2024, bis "März oder April 2024" gelten.

Finanzminister Christian Lindner (FDP) betonte, der WSF werde zusätzlich mit Kreditermächtigungen bis zu 200 Milliarden Euro ausgestattet "für die Zeit der Krise in der voraussehbaren Zukunft". Die Regelgrenze der Schuldenbremse gelte aber 2023 weiter. "Wir wollen klar Krisenausgaben trennen von unserer regulären Haushaltsführung", erklärte er. Man halte an stabilitätsorientierter Finanzpolitik fest. Der Abwehrschirm solle auch einen wichtigen Beitrag als "Inflationsbremse" leisten. "Deutschland zeigt hier seine wirtschaftliche Schlagkraft in einem Energiekrieg", hob er hervor.

"Mit einem umfassenden Abwehrschirm werden die steigenden Energiekosten und die schwersten Folgen für Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Unternehmen abgefedert", erklärte die Regierung in einem Eckpunktepapier. Dies wahre den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die ökonomische Leistungsfähigkeit des Landes. Es würden mehr Kapazitäten bei Wärme und Strom in den Markt gebracht. Durch Einsparungen werde die Abhängigkeit von Gas - und auch anderen fossilen Energieträgern - schneller reduziert. "Neben der Strompreisbremse wird die Bundesregierung eine Gaspreisbremse einführen", hieß es darin.


   Fiskalpolitik soll Inflation nicht zusätzlich befeuern 

Das Volumen sei "erheblich, aber gemessen an der Größe und Leistungsfähigkeit unserer Volkswirtschaft verhältnismäßig und langfristig tragbar". Die fiskalischen Reserven Deutschlands würden weiterhin nicht ausgeschöpft, um stets Handlungsfähigkeit zu erhalten. Die fiskalische Resilienz und nachhaltige Finanzstabilität des deutschen Staates werde geachtet. "Die Fiskalpolitik wird die Inflation nicht zusätzlich befeuern", hieß es in dem Papier. Für den Bundeshaushalt werde daher ab dem nächsten Jahr weiter mit der Regelgrenze der Schuldenbremse geplant. Dafür seien weiterhin Priorisierungen im Haushalt notwendig.

Der WSF soll nach den Plänen konkret im Jahr 2022 mit zusätzlichen Kreditermächtigungen aufgrund von Artikel 115 Absatz 2 Satz 6 des Grundgesetzes in Höhe von 200 Milliarden Euro ausgestattet werden. Damit würde erneut eine Ausnahme von der Schuldenbremse für diesen Zweck beantragt. "Dadurch werden die Maßnahmen der Krisenbewältigung von allgemeinen politischen Vorhaben unterschieden", betonte die Regierung.

Die Möglichkeiten der Nutzung des WSF seien deshalb begrenzt auf die Finanzierung der Gaspreisbremse, Liquidität und Zuschüsse für die Strompreisbremse, die Finanzierung weiterer Stützungsmaßnahmen für aufgrund des Krieges in Schwierigkeiten geratene Unternehmen sowie Ersatzbeschaffungskosten für aufgrund des Krieges in Schwierigkeiten geratene und für die Marktstabilität relevante Gasimporteure.

"Unabhängig von der Gasumlage werden wir die Umsatzsteuer auf Gas bis zum Frühjahr 2024 auf den reduzierten Satz von 7 Prozent begrenzen", erklärte die Regierung zudem. Der ermäßigte Umsatzsteuersatz werde außerdem auf Fernwärme ausgeweitet. Weil die Krise bei vielen Unternehmen zu zusätzlichen Belastungen führe, werde sorgfältig darauf geachtet, dass während der Zeit der Krise keine unverhältnismäßigen zusätzlichen Bürokratielasten die Wirtschaft beeinträchtigen. Für ein solches Belastungsmoratorium wolle sich die Regierung auch in der Europäischen Union einsetzen.

Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

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September 29, 2022 09:24 ET (13:24 GMT)