--Lindner: Bei Gasumlage stellt sich immer mehr die wirtschaftliche Sinnfrage

--FDP-Chef fordert Gaspreisbremse

--Lindner will an Schuldenbremse festhalten

(NEU: Kostenaufstellung des Wirtschaftsministeriums zu Gas- und Strompreisdeckel)

BERLIN (AFP)--Auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat am Wochenende die umstrittene Gasumlage infrage gestellt. Angesichts der Mehrkosten für Bürger und Unternehmen stelle sich "die wirtschaftliche Sinnfrage", sagte er der Bild am Sonntag. Der FDP-Chef fordert statt dessen eine Gaspreisbremse. Diese würde laut Bundeswirtschaftsministerium Mehrkosten von vielen Milliarden für den Staat bedeuten.

Die Gasumlage soll Versorgern helfen, die wegen gedrosselter Lieferungen aus Russland anderswo teuer Gas einkaufen müssen, um ihre Lieferverträge zu erfüllen. Dies soll Firmenpleiten und Lieferausfälle verhindern. Privathaushalte und Unternehmen sollen ab Oktober die Umlage von gut 2,4 Cent pro Kilowattstunde zahlen. Nach dem Beschluss zur Verstaatlichung des Energie-Versorgers Uniper prüft die Bundesregierung derzeit aber bereits, ob die Erhebung der Umlage überhaupt noch rechtlich zulässig ist.

"Es stellt sich mir bei der Gasumlage weniger die Rechtsfrage, sondern immer mehr die wirtschaftliche Sinnfrage", sagte Lindner der Zeitung. Der Zeitung zufolge betrachtet Lindner die damit verbundenen Mehrkosten für Bürger und Unternehmen angesichts der konjunkturellen Lage nicht als sinnvoll.

"Wir haben eine Gasumlage, die den Preis erhöht. Aber wir brauchen eine Gaspreisbremse, die den Preis senkt", sagte Lindner. Bis Hilfen der Bundesregierung für Haushalte, Handwerk, Sportvereine oder Kultur stehen würden, werde schließlich noch Zeit vergehen. Eine Gaspreisbremse müsse "allen Menschen in einer Volkswirtschaft schnell helfen".

Um den Endverbraucherpreis bei Gas um einen Cent je Kilowattstunde zu senken, wäre aus der Staatskasse ein Betrag von 2,5 Milliarden Euro nötig. Dies geht aus der Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion hervor, die AFP am Sonntag vorlag. Die von der Ampel-Koalition bereits geplante Strompreisbremse würde demnach mit 1,3 Milliarden Euro pro Cent und Kilowattstunde zu Buche schlagen.

Welche Kosten insgesamt entstünden, hänge davon ab "wie hoch der Deckel angesetzt wird und wie sich die Endverbraucherpreise weiter entwickeln", heißt es in der Antwort des Ministeriums. Über diese hatte zuerst das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) berichtet.

An der Schuldenbremse will Lindner trotz der abzusehenden Mehrausgaben in Milliardenhöhe im Falle einer Gaspreisbremse festhalten. Sie müsse "mit langfristig stabilen Staatsfinanzen verbunden werden", sagte er der Bild am Sonntag. Bei der Strompreisbremse setzt die Bundesregierung auf einen Vorschlag der EU-Kommission, zur Finanzierung übermäßige Gewinne von Energieunternehmen abzuschöpfen.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) drängte bei der Strompreisbremse zur Eile: "Wenn die EU jetzt nicht sehr rasch einen konkreten Lösungsvorschlag vorlegt, sollte die Bundesregierung allein vorangehen", sagte Weil, der am 9. Oktober vor Landtagswahlen steht, der Bild am Sonntag. Bei einem Gaspreisdeckel forderte Weil die Ampel-Regierung in Berlin auf, diesen bis Oktober zu vereinbaren. Das Vorhaben wird derzeit von einer Expertenkommission geprüft.

"Die Gasumlage in ihrer für Bürger und Betriebe verheerenden Form muss weg, ein Deckel auf die Gaspreise ist notwendig", sagte Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch den RND-Zeitungen. Die Kostenangaben aus dem Ressort von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zeigten, "dass eine Deckelung der Preise möglich und finanzierbar wäre", wenn für diesen Zweck eine Übergewinnsteuer auf die Einnahmen von Öl- und Gaskonzernen wie in anderen EU-Staaten eingeführt werde.

Habeck bekräftigte laut Bild am Sonntag unterdessen seine rechtlichen Bedenken an der Gasumlage. Demnach verschickte er am Mittwoch zwar einen ersten Gesetzesentwurf zur Gasumlage an alle Kabinettsmitglieder, sein Ministerium stellte ihn aber direkt "unter dem Vorbehalt der finanzverfassungsrechtlichen Prüfung" und verwies auf mögliche Alternativen. Dies wären laut Zeitung entweder direkte Staatshilfen an Not leidende Gasversorger oder eine Übernahme der Zusatzkosten der Gasimporteure aus Haushaltsmitteln in "einer Größenordnung im mittleren zweistelligen Milliardenbereich".

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September 25, 2022 08:48 ET (12:48 GMT)