-- Finanzminister will Balance von Verschuldungsbegrenzung und Investitionen

-- Lindner erwartet wirklichen Beginn der Debatte um Stabilitätspakt im Juni

-- FDP-Politiker erstmals bei europäischen Finanzministersitzungen

(NEU: mehr Lindner, weitere Aussagen)

Von Andreas Kißler

BRÜSSEL/BERLIN (Dow Jones)--Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat vor seiner ersten Teilnahme an einer Sitzung der Eurogruppe die Bedeutung von Fiskalregeln betont und die Flexibilität des EU-Stabilitäts- und Wachstumspaktes gelobt. Es sei für die Bundesregierung entscheidend, "dass wir die Bedeutung der Fiskalregeln weiter beachten", sagte er bei seinem Eintreffen zu der Sitzung in Brüssel. "Fiskalregeln sind entscheidend, um die Glaubwürdigkeit der Staaten gegenüber den Kapitalmärkten zu erhalten, Fiskalregeln leisten auch einen wichtigen Beitrag dazu, die monetäre Stabilität zu erhalten und auch die Preisentwicklung ... in einem kontrollierten Maß sich entwickeln zu lassen."

Den "wirklichen Beginn" der Debatte über die Stabilitätsregeln erwartete Lindner für Juni, wenn die EU-Kommission einen Vorschlag mache. In seinen Augen habe der EU-Stabilitäts- und Wachstumspakt "seine Flexibilität in der Krise gezeigt", betonte er aber. Nun sei die Zeit, fiskalische Puffer wiederaufzubauen, und er sei "sehr dafür", die Staatsverschuldung zu reduzieren.

Zu Aussagen des französischen Finanzministers Bruno Le Maire, die Verschuldungsregeln seien überholt, erklärte Lindner: "Ich denke, wir beide sind realistische Politiker und beide keine Träumer, was die weitere Entwicklung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes angeht." Deutschland werde sich die Vorschläge anderer Staaten ansehen, bei den Kriterien der Defizitregeln von 3 Prozent der Wirtschaftsleistung bei der Neuverschuldung und 60 Prozent beim Schuldenstand seien aber "realistischer Weise" keine Änderungen zu erwarten.

Für die Transformation in Europa wolle die Bundesregierung insbesondere privates Kapital mobilisieren, erklärte der FDP-Politiker. "Da geht es nicht nur darum, aus der Krise heraus zu starten, ein wichtiges Anliegen der deutschen Bundesregierung ist es, ein Momentum zu entwickeln, um aus der Krise heraus auch die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft zu stärken."


   Lindner wirbt für bessere Rahmenbedingungen 

Deutschland sei offen für Fortschritt und Weiterentwicklung. "Wir wissen aber auch, dass im langfristigen Interesse wir eine kluge Balance brauchen aus der Begrenzung der öffentlichen Verschuldung einerseits und andererseits der Freisetzung von Investitionen in die Transformation." Dies müsse nicht gegeneinander stehen, zeigte sich Lindner überzeugt. "Die Lösung ist oft, die Rahmenbedingungen für privates Kapital zu verbessern."

Für Lindner sind die Treffen der Finanzminister der Euro-Länder am Montag und der aller EU-Staaten am Dienstag seine ersten Auftritte als Bundesfinanzminister auf der europäischen Bühne. Er ist aber nicht der einzige neue Minister, sondern nur eines von gleich vier neuen Gesichtern in der Eurogruppe. Auch aus den Niederlanden, Österreich und Luxemburg gibt es eine neue Besetzung.

Der neue österreichische Finanzminister Magnus Brunner forderte in Brüssel eine striktere Fiskalpolitik nach Ende der Krise. "Wir plädieren ganz stark dafür, wieder zu einer soliden Finanzpolitik zurückzukehren", sagte er. "Deutschland war immer ein Partner, wenn es um Stabilität gegangen ist", hob er hervor. Für Österreich sei vor allem auch das Thema Inflation ein ganz wichtiges, denn viele Bürger seien in Sorge. "Wir müssen diese Sorgen sehr ernst nehmen", forderte Brunner. Preisstabilität sei "ganz entscheidend", sagte er und verwies auch auf die Geldpolitik.

Die neue niederländische Finanzministerin Sigrid Kaag zeigte sich ebenfalls besorgt wegen der Inflationsentwicklung. "Die Kaufkraft der einzelnen Bürger wird betroffen", betonte sie. Allgemein handele es sich "um ein sehr wichtiges Jahr" für die EU, denn es müssten die richtigen Entscheidungen getroffen werden. Die neue luxemburgische Finanzministerin Yuriko Backes kündigte an, sie wolle bei der Kompromissfindung helfen. Die Auswirkung der Corona-Pandemie auf die einzelnen Länder sei sehr unterschiedlich gewesen, gab sie zu bedenken. Am Dienstag will Lindner auch das Arbeitsprogramm des deutschen Vorsitzes bei den sieben führenden Industrieländern (G7) vorstellen.

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January 17, 2022 10:37 ET (15:37 GMT)