-- Institut erhöht im Gegenzug Prognose für 2022 auf 5,1 Prozent

-- Ifo-Konjunkturchef: Erholung nach Corona verschiebt sich weiter

-- Deutliche Zunahme des privaten Konsums im kommenden Jahr

-- Warnung vor Risiken für die Inflationsentwicklung

(NEU: Pressekonferenz)

Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones)--Das Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung hat seine Wachstumsprognose für 2021 um 0,8 Prozentpunkte gekappt und für 2022 um 0,8 Prozentpunkte erhöht. "Die ursprünglich für den Sommer erwartete kräftige Erholung nach Corona verschiebt sich weiter", sagte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. Er warnte zudem vor Risiken für die weitere Inflationsentwicklung. Die Wirtschaftsleistung wird in diesem Jahr nach den Berechnungen der Münchener Ökonomen nur noch um 2,5 Prozent zulegen, im kommenden Jahr dann aber um 5,1 Prozent. 2023 werden es demnach nur noch 1,5 Prozent.

"Derzeit schrumpft die Produktion der Industrie als Folge von Lieferengpässen bei wichtigen Vorprodukten", konstatierte Wollmershäuser. Gleichzeitig erholten sich die Dienstleister kräftig von der Corona-Krise. "Die Konjunktur ist gespalten." Die Preise dürften in diesem Jahr um 3,0 Prozent anziehen, dann um 2,3 Prozent und schließlich nur noch um 1,6 Prozent im Jahre 2023. Wollmershäuser warnte aber, "dass die Aufwärtsrisiken bei der Inflation überwiegen". In den nächsten Monaten seien noch höhere Inflationsraten zu erwarten, "die werden vielleicht sogar in Richtung 5 Prozent gehen".

Dann werde zwar im Januar der Basiseffekt bei der Mehrwertsteuer entfallen und es werde einen kräftigen Rückgang geben. Jedoch bestehe ein Risiko in einer Weitergabe von Kostensteigerungen an die Endverbraucher, je länger die gegenwärtigen Lieferengpässe anhielten, und ein anderes in den Gaspreisen, für die die Marktpreise "explodiert" seien. Der Ifo-Konjunkturchef sah eine gestiegene Wahrscheinlichkeit, "dass die Notenbanken in den nächsten Monaten ihren geldpolitischen Kurs straffen werden".


   Globale Lieferketten vor Herausforderungen 

Das Institut erklärte, der plötzliche Anstieg der weltweiten Nachfrage hin zu langlebigen Konsumgütern, elektronischen Artikeln sowie speziellen medizinischen Produkten habe viele Hersteller von industriellen Vorprodukten an ihre Kapazitätsgrenzen gebracht. Zudem seien die globalen Lieferketten als Folge stark veränderter Warenströme vor enorme logistische Herausforderungen gestellt worden.

Dagegen profitierten die privaten Konsumausgaben vom Abflauen der Corona-Krise. Sie steigen laut der Prognose um 1,2 Prozent in diesem Jahr, 7,7 Prozent im kommenden und erneut 1,2 Prozent im übernächsten Jahr. Die Ausrüstungsinvestitionen der Wirtschaft sollen um 5,9 Prozent im Jahr 2021, 7,1 Prozent 2022 und 2,5 Prozent 2023 zulegen. Vor dem Hintergrund des Impffortschritts stützen nach Einschätzung des Instituts zudem die günstigeren Einkommens- und Beschäftigungsaussichten.


   Arbeitslosigkeit geht zurück 

So habe sich im zweiten Vierteljahr der Beschäftigungsaufbau bei den Dienstleistern kräftig beschleunigt, und die Arbeitslosigkeit sei deutlich zurückgegangen. Auch die Kurzarbeit sei spürbar abgebaut worden und werde im kommenden Jahr ihr Vorkrisenniveau erreichen. Die Zahl der Arbeitslosen dürfte nach den Berechnungen von 2,621 Millionen in diesem Jahr über 2,352 im kommenden auf 2,270 Millionen im Jahr 2023 zurückgehen. Damit sinke die Arbeitslosenquote von 5,7 Prozent im Jahr 2021 auf 5,1 und 4,9 Prozent.

Das Defizit im Staatshaushalt dürfte in diesem Jahr 157,3 Milliarden Euro erreichen und dann kommendes Jahr auf 52,1 Milliarden Euro schrumpfen. Im Jahr 2023 dürfte der Staatshaushalt dann erstmals wieder ausgeglichen sein. Diese Prognose wurde laut dem Institut unter der Annahme getroffen, dass nur die derzeit beschlossenen wirtschafts- und finanzpolitischen Pakete umgesetzt werden. Wollmershäuser betonte, es sei aber "sehr wahrscheinlich", dass die kommende Regierung nicht daran festhalten werde.

Für die Exporte veranschlagen die Ökonomen Zuwächse um 9,1 Prozent in diesem, 6,2 Prozent im nächsten und 3,2 Prozent im kommenden Jahr, für die Importe Steigerungen um 8,9 Prozent, 6,3 Prozent und 3,5 Prozent. Der international viel kritisierte Überschuss in der Leistungsbilanz werde in diesem Jahr 218 Milliarden Euro erreichen und dann auf 220 Milliarden 2022 und schließlich 234 Milliarden Euro 2023 steigen. Das sind laut Ifo-Institut erst 6,2 Prozent, dann 5,9 Prozent und schließlich 6,1 Prozent der Wirtschaftsleistung.

Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

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September 22, 2021 05:56 ET (09:56 GMT)