-- Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte kommen

-- Bund und Länder beschließen "2G"-Regel im Einzelhandel

-- Bundesweit mindestens 2G bei Freizeitveranstaltungen

-- Bund und Länder sprechen von "Akt der Solidarität"

(NEU: weitere Details und Aussagen, Reaktionen)

Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones)--Bund und Länder haben zur Eindämmung der vierten Corona-Welle eine bundeseinheitliche Verschärfung von Maßnahmen beschlossen. Dazu zählen die Wiedereinführung einer Maskenpflicht an Schulen, umfangreiche Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte auch bei privaten Zusammenkünften, eine Ausweitung der "2G"-Regel auf den Einzelhandel sowie Einschränkungen für Großveranstaltungen. Zudem sollen mehr Personengruppen Impfungen durchführen dürfen. Außerdem wird eine Entscheidung über eine allgemeine Impfpflicht angekündigt.

"In allen Ländern werden strenge Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte veranlasst", heißt es in dem Beschluss von Bund und Ländern. "Private Zusammenkünfte im öffentlichen oder privaten Raum, an denen nicht geimpfte und nicht genesene Personen teilnehmen, sind auf den eigenen Haushalt sowie höchstens zwei Personen eines weiteren Haushaltes zu beschränken." Kinder bis zu 14 Jahren sollen ausgenommen sein.

Private Zusammenkünfte, an denen ausschließlich Geimpfte und Genesene teilnehmen, sind von den Einschränkungen generell nicht berührt. In Kreisen mit einer Inzidenz oberhalb von 350 pro 100.000 Einwohner gilt aber bei privaten Zusammenkünften eine Teilnehmergrenze von 50 Geimpften und Genesenen im Innen- und 200 Personen im Außenbereich.

Die geschäftsführende Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte, "dass die Lage in unserem Land ernst ist, was die Corona-Pandemie anbelangt. Deswegen haben wir heute von einem Akt der nationalen Solidarität gesprochen".


   Zugangskontrollen im Handel für 2G 

Im Einzelhandel soll demnach die 2G-Regel, nach der nur Geimpfte und Genesene Zugang haben, bundesweit inzidenzenunabhängig ausgeweitet werden, außer in Geschäften des täglichen Bedarfs. "Der Zugang muss von den Geschäften kontrolliert werden", heißt es in dem Beschluss von Bund und Ländern.

Der geschäftsführende Vizekanzler und designierte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verteidigte die 2G-Regel im Handel. "Ich glaube, dass das richtig und notwendig ist", sagte er. Die Folgen für den Handel würden aber "abgefedert" und entsprechende Hilfen verlängert.

An Schulen gilt wieder Maskenpflicht.

Bundesweit gilt auch 2G bei Kultur- und Freizeitveranstaltungen etwa in Kinos, Theatern oder Gaststätten, und es wurden Einschränkungen für Großveranstaltungen beschlossen. Bei diesen sollen nur 30 bis 50 Prozent der Kapazität genutzt werden dürfen - bei Veranstaltungen in geschlossenen Räumen bis zu 5.000 Personen und bei Veranstaltungen im Freien bis zu 15.000. Zudem herrscht Maskenpflicht.

"In Ländern mit einem hohen Infektionsgeschehen müssen Veranstaltungen nach Möglichkeit abgesagt und Sportveranstaltungen ohne Zuschauer durchgeführt werden", erklärten Bund und Länder.


   Erneutes Böllerverbot zu Silvester 

Bei einer Inzidenz von über 350 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen sollen zudem Clubs und Diskotheken ganz schließen müssen. Aus Sicht des Bundes sei das rechtlich schon jetzt möglich. Bei der Reform des Infektionsschutzgesetzes werde dies aber noch einmal "unzweifelhaft klargestellt".

Zudem wird es Silvester erneut ein Böllerverbot geben, wie der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK), Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), ergänzte.

Am Silvestertag und Neujahrstag wird laut dem Beschluss "bundesweit ein An- und Versammlungsverbot umgesetzt". Das erneut geplante Feuerwerksverbot soll demnach auf durch die Kommunen zu definierenden publikumsträchtigen Plätzen gelten.

Der Verkauf von Pyrotechnik vor Silvester wird aber in diesem Jahr generell verboten und vom Zünden von Silvesterfeuerwerk generell dringend abgeraten. Für die betroffenen Unternehmen sei wie im vergangenen Jahr eine entsprechende Kompensation im Rahmen der Wirtschaftshilfen vorzusehen.


   Hilfen werden verlängert 

Bund und Länder kündigten zudem weitere Hilfen im Zuge einer Überbrückungshilfe IV für Adventsmärkte an. Die Härtefallhilfen, der Sonderfonds des Bundes für Messen und Ausstellungen, der Sonderfonds des Bundes für Kulturveranstaltungen, das Programm Corona-Hilfen Profisport und das KFW-Sonderprogramm sollen laut dem Beschluss verlängert werden.

Allgemein soll das Infektionsschutzgesetz um weitere Regelungen ergänzt werden, damit Länder und Regionen mit einem hohen Infektionsgeschehen weiterhin angemessene zusätzliche Maßnahmen wie zeitlich befristete Schließungen von Gaststätten oder Einschränkungen bei Hotelübernachtungen veranlassen können. In den Ländern bereits getroffene Regelungen sollen über den 15. Dezember hinaus verlängert werden.

Merkel und Scholz sprachen sich zudem für eine allgemeine Impfpflicht aus. Merkel nannte diese "geboten", Scholz erklärte, die Bevölkerung sei "weitgehend, aber nicht

ausreichend" geimpft. "Wir organisieren gegenwärtig eine allgemeine Impfpflicht", erklärte er. Bund und Länder begrüßten, dass der Bundestag zeitnah über die Impfpflicht entscheiden wolle. Sie könne greifen, "sobald sichergestellt werden kann, dass alle zu Impfenden auch zeitnah geimpft werden können, also etwa ab Februar 2022".


   Bis zu 30 Millionen Impfungen bis Weihnachten 

Bund und Länder wollen zudem gemeinsam daran arbeiten, bis Weihnachten allen, die sich für eine Erstimpfung entscheiden und allen, die fristgerecht eine Zweit- oder Auffrischimpfung benötigen, die Impfung zu ermöglichen. Bei einer hohen Nachfrage in der Bevölkerung könne das bis zu 30 Millionen Impfungen erfordern. Laut dem Beschluss soll zudem der Kreis der Personen deutlich ausgeweitet werden, die Impfungen durchführen dürfen. Kurzfristig soll dies "über Delegationen" von Ärzten an Apotheker oder Pflegekräfte gehen, längerfristig über eine gesetzliche Änderung "für Apothekerinnen und Apotheker, Zahnärztinnen und Zahnärzte und weitere".

Zum Impfstatus heißt es, die Dauer der Anerkennung als vollständig geimpfte Person werde zu verändern sein, sofern keine Auffrischungsimpfung erfolge. Auf Ebene der Europäischen Union werde diskutiert, dass der Impfstatus nach der zweiten Impfung seine Gültigkeit für neun Monate behalten soll. Bund und Länder wollen sich unter Berücksichtigung der Impfkampagne und der zur Verfügung stehenden Impfstoffe bis zum Jahresende verständigen, "ab wann und wie" eine entsprechende Regelung in Deutschland Anwendung finden solle.


   Pyrotechnik-Branche "fassungslos" 

In der Wirtschaft stießen die Beschlüsse auf ein geteiltes Echo. "Wir brauchen eine von Vernunft und nicht von Panik getriebene Politik", forderte der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Rainer Dulger. Es bedürfe einheitlicher Kriterien für differenzierte Lösungen. "Eine 2G oder 2G Plus Regelung, die lediglich dazu dient einen Lockdown als Begriff zu vermeiden, aber wie ein Lockdown wirkt, schafft eher Unsicherheit, aber kaum mehr Infektionsschutz", warnte er. Der Handel dürfe "nicht ein rechtlich fragwürdiges Sonderopfer werden".

Der Verband der pyrotechnischen Industrie zeigte sich "fassungslos" über die folgenschwere Entscheidung gegen Feuerwerk.

Hingegen begrüßte das Friseurhandwerk die Vorgaben. "Die Regelung trifft unsere Betriebe zwar hart. Sie ist dennoch besser als ein Lockdown", sagte der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des deutschen Friseurhandwerks, Jörg Müller, der Funke-Mediengruppe.

Der Zentralverband des Deutschen Handwerks erklärte, die Beschlüsse zielten zu Recht auf eine Impfbeschleunigung. "Eine grundsätzlich positive Botschaft für unsere Handwerksbetriebe ist, dass mit den MPK-Beschlüssen ein neuerlicher genereller Lockdown wie auch eine erneute Bundes-Notbremse vermieden werden sollen", sagte Verbandspräsident Hans Peter Wollseifer.

Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

DJG/ank/smh

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December 02, 2021 10:42 ET (15:42 GMT)