--BDI erwartet BIP-Plus von 3,5% und Export-Plus von 6% in diesem Jahr

--Verbandspräsident Russwurm verlangt verlässlichere Corona-Politik

--Deutschland soll ein "Wachstumsprogramm 2030" erhalten

(NEU: Weitere Aussagen von Pressekonferenz)

Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones)--Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sieht die Erholung der wirtschaftlichen Aktivität in der Industrie weiter gefährdet. "Die Unsicherheit über die weitere Entwicklung der Corona-Pandemie ist groß, die wirtschaftliche Lage bleibt schwierig", sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm. "Für Deutschland erwartet der BDI in diesem Jahr einen BIP-Zuwachs in einer Größenordnung von 3,5 Prozent." Eine Rückkehr zum Vorkrisenniveau werde im laufenden Jahr noch nicht erreicht. "Es sollte aber eine gute Chance geben, dass das dann im ersten Halbjahr 2022 gelingt", erklärte der BDI-Präsident. Für die Exporte ging er von einer Steigerung um 6 Prozent aus - nach dem Absturz um 11 Prozent 2020.

Russwurm plädierte für eine Offenhaltung industrieller Aktivität. Es sei wichtig, die Industrie weiter am Laufen zu halten - trotz verschärfter Lage, trotz ausgeweiteter Mobilitätseinschränkungen und großflächiger Schulschließungen. Nur mit seiner starken Industrie könne Deutschland "zuversichtlich auf weiterhin notwendige Unterstützung der vielen Hilfsbedürftigen aus der Wirtschaft blicken", meinte er.

Bei einer Online-Pressekonferenz verlangte der BDI-Präsident von der Corona-Politik in Bund und Ländern mehr Berechenbarkeit und eine verlässlichere Planungsgrundlage, "keine Symbolpolitik mit dem Prinzip Hoffnung, sondern eine Mittelfriststrategie nach dem Prinzip Evidenz". Zu Recht sei die Erwartung groß, dass die Politik spätestens im Februar differenzierte und kreativere Lösungen liefere statt weiterer pauschaler Schließungen - und "explizite Vorschläge für Lockerungen, wo immer möglich und vertretbar".

Vehement wandte sich Russwurm gegen Forderungen nach einer kompletten Schließung der Wirtschaft. "Wir haben keine Evidenz dafür, dass die Aktivität in der Industrie die Pandemie befördert", sagte er. Man könne die Industrie nicht einfach kurz abschalten. Allein das Wiederhochfahren koste einen Monat. In der Diskussion um das Homeoffice verwies Russwurm auf die Betriebsparteien vor Ort. "Dort muss es entschieden werden."


   Corona-Krise verschärft Strukturwandel 

Russwurm warnte die Politik in Bund und Ländern davor, im beginnenden Wahlkampf den Blick auf die Herausforderungen am Standort Deutschland zu vernachlässigen. "Corona hat nicht die Pausetaste gedrückt, sondern 'Fast Forward'", betonte er. Die Corona-Krise verschärfe die Anforderungen an den Strukturwandel der deutschen Industrie, und zwar tiefgreifend. "Deshalb braucht es weniger Belastungen, weniger Bürokratie, weniger Steuern - und bessere Infrastruktur, mehr Anreize für Innovationen und Investitionen", unterstrich Russwurm.

Nach wie vor fehlten öffentliche Investitionen von mindestens 20 Milliarden Euro pro Jahr. "Deutschland braucht ein Wachstumsprogramm 2030", forderte der BDI-Präsident. Mit Blick auf notwendige Investitionen in Klimaschutztechnologien verlangte Russwurm mehr staatliche Unterstützung. "Der neue nationale CO2-Preis braucht dringend einen wirksamen Korrekturmechanismus", sagte er. Er müsse das Abwandern energieintensiver Industrien in Regionen mit weniger anspruchsvoller Regulierung verhindern.

Russwurm wandte sich gegen Überlegungen für zusätzliche Belastungen von Unternehmen. "Für mehr Investitionen am Standort braucht es ganz sicher keine Diskussion über höhere Steuern." Vielmehr müsse die Bundesregierung endlich den Reformstillstand in der Steuerpolitik überwinden. Entscheidend bleibe, die Steuerbelastung der Unternehmen "maximal auf wettbewerbsfähige 25 Prozent des Ertrags" zu senken. Der BDI-Präsident plädierte für die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlages und eine Senkung des Körperschaftssteuersatzes.

Ein weiterer schneller Schritt für größere Liquidität der Unternehmen sei die Ausweitung der Verlustverrechnung, also die Möglichkeit, Verluste aus 2020 und 2021 mit Gewinnen aus Vorjahren zu verrechnen. "Wir werden an dem Steuerthema dranbleiben - egal, ob es gelegen oder ungelegen kommt", kündigte Russwurm an.

Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

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January 12, 2021 05:16 ET (10:16 GMT)