--Papier fasst Forderungen der Wirtschaft vor Bund-Länder-Gipfel zusammen

--Wirtschaft pocht auf branchenübergreifende Lösung

--Altmaier: Reihenfolge der Öffnungen wird noch einmal diskutiert

(Neu: Zitate Altmaier, Verbände)

Von Petra Sorge

BERLIN (Dow Jones)--Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat angesichts der anhaltenden Corona-Beschränkungen vor einer drastischen Verschärfung der wirtschaftlichen Lage bei vielen Unternehmen gewarnt. Der lange Lockdown habe "erhebliche Auswirkungen" auf sie, heißt es einem Dokument, in das Dow Jones Newswires Einblick hatte. "Dies führt in vielen Fällen zu einer Bedrohung ihrer wirtschaftlichen Existenz und zu der Gefahr eines längerfristigen Substanzverlustes der deutschen Volkswirtschaft: Arbeitsplatzverluste, Insolvenzen, weniger Ausbildungsplätze, rückläufige Zahl von Neugründungen, Attraktivitätsverlust vieler Innenstädte wären die Folge."

Das Papier hatte Altmaier im Vorfeld einer heutigen Sonderwirtschaftsministerkonferenz an die Minister der Länder übermittelt. Es soll in den Bund-Länder-Gipfel mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Mittwoch (3. März) einfließen. Das Dokument enthält dabei keine eigenen Vorschläge Altmaiers für eine Öffnungsperspektive, sondern fasst vor allem die zahlreichen Ideen zusammen, die die Verbände beim Wirtschaftsgipfel in der vergangenen Woche unterbreitet hatten.


   Altmaier: "Klare, verantwortungsvolle Öffnungsperspektive" nötig 

Altmaier betonte am Nachmittag, dass das Papier von den Wirtschaftsministern "allseits begrüßt" worden sei. Vor der Ministerpräsidenten-Runde stelle sich die Frage, ob man "eine klare, verantwortungsvolle Öffnungsperspektive für die Wirtschaft" beschreiben könne. "Die zweite Frage war, ob Öffnungen und Schließungen sinnvollerweise vor Ort entschieden werden und nicht auf Bundesebene", so Altmaier. Die Wirtschaft wünsche gemeinsam bundesweite Kriterien.

Denn, so heißt es in dem Papier weiter, nur so "kann die Entstehung eines Flickenteppichs unterschiedlicher Strategien und Vorgehensweisen verhindert werden." Gleichzeitig dürften Lockerungen nicht zu weiteren gesundheitlichen Belastungen führen: Eine dritte Pandemiewelle würde "der Wirtschaft insgesamt und vielen Unternehmen bedeutend schaden".

Bei den Öffnungen befürworten die Verbände laut Altmaier auch eine branchenübergreifende Lösung, da sich einige Wirtschaftsbereiche zurückgesetzt fühlten. Bisher befürworten Bund und Länder einen Stufenplan mit zunächst Friseuren ab 1. März, dann dem Einzelhandel, der Gastronomie und am Ende der Reisebranche. "Diese Reihenfolge wird sicher noch einmal diskutiert", sagte Altmaier. Es gebe inzwischen nicht nur einige Konzepte der Länder, sondern auch einen eigenen Plan des Robert-Koch-Instituts. Altmaier betonte, so könne es auch schon um Ostern herum möglich sein, bei schönem Wetter wieder Außengastronomie zuzulassen.


   Öffnungen sollten auch ohne Erreichen der 35er-Inzidenz möglich sein 

Die Verbände seien sich daher einig, dass deutlich oberhalb einer Sieben-Tage-Inzidenz von 50 Infektionen je 100.000 Einwohner keine zusätzlichen Lockerungen möglich seien. "Umgekehrt wird das Erreichen einer (bundesweiten oder regionalen) Inzidenz von 35 oder darunter dann nicht für unbedingt erforderlich gehalten, wenn ausreichende Sicherheitsvorkehrungen gegen eine unkontrollierte Ausbreitung des Virus getroffen sind." Bislang hatten Bund und Länder stets die 35er-Inzidenz als Voraussetzung für weitere Öffnungsschritte genannt. Zuletzt war der Wert wieder etwas angestiegen auf 62,6 Fälle je 100.000 Einwohner.

Um die schnelleren Öffnungen abzusichern, verweisen die Verbände auf etablierte Hygienekonzepte und die bereits vorhandenen Antigen-Schnell- oder Selbsttests. Sie beklagen auch, dass digitale Möglichkeiten etwa bei der Kontaktnachverfolgung "nach wie vor unzureichend genutzt werden".


   HDE warnt in Brief an Merkel vor Vertrauensverlust 

Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) erhöhte unterdessen weiter den Druck auf Bund und Länder: "Eine Fortsetzung der Politik nach dem Motto 'Ihr bleibt zu, um die übrige Wirtschaft geöffnet zu halten' und damit einen Lockdown des Gastgewerbes als Dauerzustand, akzeptieren wir nicht", sagte Dehoga-Präsident Guido Zöllick.

Der Handelsverband Deutschland (HDE) forderte in einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eine einheitliche Öffnungsstrategie. "Ein Moratorium auf unbestimmte Zeit treibt den Vertrauensverlust in die Politik, verschärft die negative Stimmungslage im Land und ist für die betroffenen Unternehmen inakzeptabel", heißt es darin.

Kontakt zur Autorin: petra.sorge@wsj.com

DJG/pso/smh

(END) Dow Jones Newswires

February 26, 2021 10:24 ET (15:24 GMT)