Sie hob den Schlüsselsatz zur Versorgung der Geschäftsbanken mit Geld am Donnerstag gegen den erklärten Willen des einflussreichen Präsidenten von 17,75 auf 24 Prozent an. Investoren reagierten erleichtert und deckten sich mit der Landeswährung Lira ein. Sie ist dieses Jahr ins Trudeln geraten und hat rund 40 Prozent an Wert eingebüßt. Mit ihr erhielten nun auch die Währungen anderer krisengebeutelter Schwellenländer wie Argentinien Auftrieb.

Doch die wirtschaftlich angeschlagene Türkei sei noch lange nicht über den Berg, warnte Bastian Hepperle vom Bankhaus Lampe. "Die Glaubwürdigkeit der Geldpolitik bleibt beschädigt, solange die Notenbank von Staatspräsident Erdogan gegängelt wird. Die Lira-Krise ist nicht vorüber", so der Ökonom. Erdogan hatte die Arbeit der Währungshüter nur wenige Stunden vor dem Entscheid in Bausch und Bogen verurteilt und gegen den Rat aller Experten eine Zinssenkung gefordert. Er warf der Notenbank vor, die Wechselwirkung von Zinsen und Inflation zu verkennen. "Wer sagt: Inflation ist die Ursache und Zinsen das Ergebnis, der kennt sich nicht aus in diesem Geschäft." Zugleich stellte er der Zentralbank ein schlechtes Zeugnis aus, da die steigenden Preise im Land eine Folge falscher Schritte der Zentralbank seien.

Die Notenbank teilte mit, dass es "erhebliche Risiken" für die Preisstabilität gebe. Die Inflation war im August auf 17,9 Prozent gestiegen. Das war der höchste Wert seit Ende 2003. Commerzbank-Ökonom Ulrich Leuchtmann bescheinigte den Währungshütern "sehr viel Mut, gegen den Willen des Präsidenten zu handeln". Der Zinsschritt sei stark: "Er ist aber nur dann ausreichend, wenn der Markt und die Öffentlichkeit überzeugt sind, dass die Notenbank noch mehr tun kann." Auch Inan Demir vom Finanzhaus Nomura geht davon aus, dass die Machtprobe mit Erdogan für Notenbankchef Murat Cetinkaya noch nicht ausgestanden ist: "Es ist wahrscheinlich, dass sich der Preisauftrieb weiter beschleunigt und dass vielleicht weitere Zinsanhebungen vonnöten sein könnten."

RISIKOFAKTOR SCHWELLENLÄNDER

Zweifel an der Unabhängigkeit der Notenbank hatten mit zum Verfall der Lira beigetragen. Nach dem Zinsentscheid wertete sie deutlich auf: Der Dollar fiel im Gegenzug um mehr als fünf Prozent auf 5,98 Lira. Der Kurssprung der Lira half teilweise auch anderen Schwellenländer-Währungen. Der südafrikanische Rand und der russische Rubel legten am deutlichsten zu.

Diese Währungen waren unter Druck geraten, da einige Investoren sich generell von Schwellenländern abwenden. Die USA locken mit steigenden Zinsen seit längerem wieder vermehrt Kapital an. Manche Experten befürchten zehn Jahre nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers, dass sich die Probleme in den Schwellenländern im Verbund mit möglichen Turbulenzen in China zu einer neuen globalen Finanzkrise auswachsen können.

Zur Währungskrise in der Türkei gesellen sich auch geostrategische Probleme hinzu, die durch den Bürgerkrieg in Syrien und damit praktisch vor der Haustür des Nato-Landes heraufbeschworen werden. Zugleich beschuldigt Erdogan den US-Präsidenten Donald Trump, einen Wirtschaftskrieg gegen sein Land vom Zaun gebrochen zu haben.

Es wird darüber spekuliert, dass die Türkei wie bereits Argentinien ein Fall für den Internationalen Währungsfonds werden könnte, was die Regierung in Ankara jedoch ausschließt. Zuletzt hatte der IWF dem Land in der Krise nach der Jahrtausendwende unter die Arme gegriffen. Die türkische Wirtschaft schwächelt nach Jahren des Booms. Das Bruttoinlandsprodukt legte zwischen April und Juni nur noch um 5,2 Prozent zum Vorjahr zu. Zu Jahresbeginn hatte es noch zu 7,3 Prozent gereicht. Ökonomen rechnen angesichts der kräftigen Lira-Abwertung damit, dass die Wirtschaft noch mehr Schwung verlieren wird.