Frankfurt (Reuters) - Zentralbanken müssen sich laut einer Studie auf massive Verluste im Zusammenhang mit ihren in den vergangenen Jahren der Krisenpolitik aufgetürmten Anleihebeständen einstellen.

Sollten in extremen Fällen Regierungen die Notenbanken mit frischem Kapital stützen müssen, könnten die Währungshüter bei Steuerzahlern und Politikern in Ungnade fallen, warnten Experten in einer von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) am Dienstag veröffentlichten Untersuchung. Sollte die Konjunkturpolitik versagen und es dem Staat an Glaubwürdigkeit mangeln, könnten die Verluste die Unabhängigkeit der Notenbank gefährden und sogar zum Zusammenbruch der Währung führen. Dies wäre der Studie zufolge allerdings ein Extremfall.

"Mehrere Zentralbanken hatten negatives Eigenkapital besessen und doch ihre Ziele voll erfüllen können - beispielsweise hatten die Zentralbanken von Chile, der Tschechischen Republik, von Israel und Mexiko jahrelang negatives Eigenkapital", heißt es in der BIZ-Untersuchung. Um politische Angriffe abzuwehren sollten Zentralbanken in ihrer Kommunikation deutlich machen, dass die geldpolitischen Schritte, die zu den Verlusten geführt haben, dazu dienten, die Preisstabilität zu sichern und das Wirtschaftswachstum anzuschieben. Und davon profitierten langfristig Haushalte und Unternehmen. Um das Vertrauen der Öffentlichkeit aufrechtzuerhalten sollten zudem Anteilseigener anerkennen, dass der Stabilitätsauftrag der Notenbanken Vorrang vor Gewinnen habe.

Die Europäische Zentralbank (EZB) und mehrere nationale Euro-Notenbanken hatten bereits vor möglichen Bilanzverlusten im Zuge des eingeschlagenen Zinserhöhungskurses gewarnt. Die Währungshüter hatten zur Ankurbelung der Konjunktur und zur Abmilderung der Folgen der Corna-Pandemie in den vergangenen Jahren massive Staatsanleihen- und Unternehmensanleihen-Kaufprogramme aufgelegt. Die billionenschweren Bestände an Bonds werfen derzeit aber nur geringe Zinsen ab. Auf der anderen Seite müssen die Euro-Wächter im Zuge der Zinswende den Geschäftsbanken nun wieder kräftig Zinsen zahlen für deren Einlagen bei der Notenbank. Der Einlagensatz steht aktuell in der Euro-Zone bei 2,5 Prozent. Noch im Juni 2022 war er negativ, was Strafzinsen für die Institute bedeutet hatte.

Bundesbank-Präsident Joachim Nagel hatte darauf hingewiesen, dass die deutsche Notenbank Rückstellungen von rund 20 Milliarden Euro für den Fall gebildet hat, dass die Zinsen wieder steigen. In einem am Dienstag veröffentlichten Interview mit der "Börsen-Zeitung" sagte Nagel, für das vergangene Geschäftsjahr 2022 gebe es noch keine größeren Auswirkungen. "In diesem und den nächsten Geschäftsjahren haben wir dann aber erhebliche finanzielle Belastungen zu tragen", sagte er. Sollten die Belastungen die Rückstellungen übersteigen, würden Verlustvorträge gebildet. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hatte 2022 aufgrund fallender Aktien- und Anleihekurse sowie der Aufwertung des Franken mit einem Fehlbetrag von 132 Milliarden Franken den größten Verlust ihrer 115-jährigen Geschichte eingefahren.

(Bericht von Frank Siebelt, Marc Jones; Redigiert von Ralf Banser; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)