Madrid/Berlin (Reuters) - Als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine stellt die Nato ihre Ausrichtung auf eine neue Grundlage und läutet eine strategisch wichtige Runde der Erweiterung ein.

Finnland und Schweden sollten beim Gipfel der Allianz in Madrid die Einladung zum Beitritt erhalten. Zudem wollen die Staats- und Regierungschefs ein neues strategisches Konzept beschließen, das die transatlantische Allianz auf neue Gefahren vor allem durch Russland einschwören soll. Generalsekretär Jens Stoltenberg bezeichnete das zweitägige Treffen in der spanischen Hauptstadt am Mittwoch als "historisch".

US-Präsident Joe Biden bekannte sich erneut zur Beistandspflicht nach Artikel 5 des Nato-Vertrags. Diese sei "heilig", sagte Biden bei einem kurzen Auftritt mit Stoltenberg vor Beginn des Gipfels. "Wir meinen es auch so, wenn wir sagen, ein Angriff auf einen ist ein Angriff auf alle." Von dem Gipfel werde die "unzweifelhafte Botschaft" ausgehen, dass das Bündnis stark und geeint sei. Die Allianz werde so ausgestattet sein, dass sie sich sämtlichen Gefahren an Land, zu Wasser und aus der Luft zur Wehr setzen könne. Der US-Präsident kündigte dazu ein fünftes Hauptquartier der europäischen US-Streitkräfte in Polen an. Die Zahl der US-Zerstörer in Spanien soll demnach von vier auf sechs erhöht werden, zwei zusätzliche US-Geschwader mit F-35-Kampfjets werden in Großbritannien stationiert. Weitere Luftabwehr und andere Waffensysteme wollen die USA nach Deutschland, Italien, Rumänien und in die baltischen Staaten entsenden.

Teil des neuen strategischen Konzepts der Allianz ist die verstärkte Sicherung der Ostflanke. Dazu sind bereits mehrere Kampfeinheiten etwa im Baltikum stationiert, darunter in Litauen unter Führung der Bundeswehr. Bundeskanzler Olaf Scholz verwies bei seiner Ankunft am Tagungsort darauf, dass Deutschland seine Beiträge bereits erhöht habe, um gerade die osteuropäischen Nato-Partner gegen mögliche Angriffe zu verteidigen. Mit dem neuen strategischen Konzept soll die Widerstandsfähigkeit der Nato gestärkt werden. Dazu gehört auch die Abwehr von Cyber-Angriffen. Russland wird in der Strategie als Hauptgegner genannt. Aber auch China soll angesprochen werden, das die Nato voraussichtlich als "systemische Herausforderung" bezeichnen wird. Im bisherigen Sicherheitskonzept der Nato spielte China keine nennenswerte Rolle.

"SIE WERDEN NICHT GEWINNEN"

Stoltenberg sprach mit Blick auf den Krieg in der Ukraine von der größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Antwort der Nato darauf falle "stark und geeint" aus. Auch der absehbare Beitritt Finnlands und Schwedens zum Bündnis sei "historisch". Bundesaußenministerin Annalena Baerbock stufte die Nato-Erweitung um die beiden Nordländer als Stärkung des Bündnisses ein. "Finnland und Schweden sind sehr, sehr starke liberale Demokratien, sind EU-Partner, sind EU-Mitglieder", sagte die Grünen-Politikerin im ZDF. "Sie haben starke eigene Armeen." Als Nicht-Nato-Mitglieder hätten sie sehr viel Geld in das eigene Militär investiert. "Das heißt, der Beitritt von Finnland und Schweden macht auch die Nato stärker, sowohl mit Blick auf Verteidigungsfähigkeiten aber eben auch als gemeinsames Bündnis für Demokratie und das internationale Recht."

Die traditionell militärisch neutralen Staaten Finnland und Schweden haben unter dem Eindruck des Krieges in der Ukraine eine Mitgliedschaft in der Nato beantragt. Ein Veto der Türkei wegen Bedenken bezüglich des Umgangs der beiden Staaten mit kurdischen Separatisten war am Dienstagabend ausgeräumt worden. Finnland hat eine 1300 Kilometer lange Grenze zu Russland. Der Beitritt muss von den Nato-Staaten einstimmig beschlossen werden. Im Anschluss müssen alle 30 Mitglieder die Aufnahme per Parlamentsbeschluss ratifizieren. Stoltenberg sagte, er gehe davon aus, dass dies schnell geschehen werde.

In der ersten Arbeitssitzung des Gipfels am Mittwochvormittag sprach der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zugeschaltet zu den Staats- und Regierungschefs. Gastgeber und Spaniens Regierungschef Pedro Sanchez sagte, der Gipfel werde ein starkes Signal an Russlands Präsident Wladimir Putin senden: "Sie werden nicht gewinnen."

(Mitarbeit: Andreas Rinke, Inti Landauro; Redigiert von Hans Seidenstücker; Bei Rückfragen wenden Sie sich an berlin.newsroom@tr.com)