Zürich (Reuters) - Die skandalgeplagte Credit Suisse kann sich zum Start des neuen Jahres nicht aus der Abwärtsspirale befreien.

Trotz einer Gewinnwarnung in der Vorwoche fiel der Quartalsabschluss noch schlechter aus, als Analysten erwartet hatten: Die Erträge der zweitgrößten Schweizer Großbank brachen um 42 Prozent ein und unter dem Strich standen mit einem Verlust von 273 Millionen Franken erneut rote Zahlen, wie das Institut am Mittwoch mitteilte. Jefferies-Analystin Flora Bocahut sprach von einem besorgniserregenden Zahlenwerk. Auch die Aktien der Credit Suisse setzten ihren Abwärtskurs fort. Mit mehreren Wechseln im Top-Management will der auch persönlich in der Kritik stehende Konzernchef Thomas Gottstein nun gegensteuern.

Der Quartalsabschluss zeige, dass die Bank noch Arbeit vor sich habe, erklärte Gottstein. "Wie ich bereits gesagt habe, ist das Jahr 2022 im Rahmen unseres langfristigen strategischen Plans für die Credit Suisse ein Jahr des Übergangs." An der bisherigen Marschrichtung wolle er festhalten. "Ich bin überzeugt, dass wir gut positioniert sind, um eine stärkere und kundenorientiertere Bank aufzubauen." Er gehe weiterhin davon aus, dass die Bank im Gesamtjahr einen Gewinn erziele. Angesprochen auf seine persönliche Zukunft bei der Bank sagte Gottstein, er sei voll engagiert, wie geplant die bestehende Strategie bis 2024 umzusetzen.

Im ersten Quartal brach der Ertrag im Kerngeschäft Vermögensverwaltung um 44 Prozent ein, im Investmentbanking gar um 50 Prozent. Gottstein erklärte dies unter anderem mit den vom Krieg in der Ukraine und dem vom Inflationsanstieg ausgelösten Marktbedingungen. Allerdings konnte der mit einem ähnlichen Geschäftsmodell arbeitende Erzrivale UBS die Erträge im gleichen Zeitraum um acht Prozent steigern und unter dem Strich das beste Startquartal seit 15 Jahren vorlegen. Credit Suisse verwies darauf, dass die Bank teilweise in anderen Märkten tätig sei. Die Deutsche Bank, die vor wenigen Jahren an einem ähnlichen Punkt stand wie die Credit Suisse jetzt, glänzte ebenfalls mit einem Milliardengewinn.

KALTE DUSCHE

Seit Jahren befindet sich die Credit Suisse im Umbau, seit Herbst 2019 taumelt sie von einem Fehlschlag zum nächsten: Neben der Milliardenpleite von Archegos kämpft sie mit den Folgen der Notabwicklung von Greensill-Fonds, teuren Gerichtsfällen und Untersuchungen der Regulatoren. Ein Konzernchef und ein Verwaltungsratspräsident mussten im Nachgang zu Skandalen zurücktreten und beschädigten den Ruf des Instituts weiter.

Aus Angst vor weiteren Fehlschlägen ist die Bank nun so vorsichtig geworden, dass sie inzwischen auf viele Geschäfte verzichtet. Die geringere Risikobereitschaft werde sich auch im weiteren Jahresverlauf auf die Erträge auswirken, erklärte die Bank. Die Umschichtung von Kapital in das Kerngeschäft Vermögensverwaltung sowie die Einsparungen sollten größtenteils ab 2023 zum Tragen kommen.

Nachdem Konzernchef Gottstein Mitte März mit Blick auf Januar und Februar noch von einem "relativ soliden" Geschäftsgang gesprochen hatte, kam vergangene Woche die kalte Dusche: Die Bank veröffentlichte innerhalb von vier Quartalen die dritte Gewinnwarnung. Die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs und der Wertverlust einer Beteiligung setzten dem Konzern zu. Die größte Belastung kam aber von höheren Aufwendungen für Rechtstreitigkeiten. So sprach ein Gericht auf Bermuda dem ehemaligen georgischen Ministerpräsidenten Bidzina Iwanischwili und seiner Familie Schadenersatz in Höhe von "deutlich über 500 Millionen Dollar" zu. Damit nicht genug - die Bank hat eine ganze Reihe von offenen Rechtsfällen, die weitere Mittel verschlingen könnten.

ÄNDERT NEUER RECHTSCHEF STRATEGIE?

Gottstein wechselt nun den Rechtschef aus. Auf den langjährigen Amtsinhaber Romeo Cerutti folgt am 1. Juli der frühere UBS-Chefjurist Markus Diethelm. Einem Insider zufolge dürfte Diethelm die Rechtsstrategie unter die Lupe nehmen. Der 64-Jährige stelle sich darauf ein, dass die Aufgabe mehrere Jahre dauern werde. Diethelm ist nicht die einzige Neubesetzung. Mit Finanzchef David Mathers und dem Leiter des Asien-Pazifik-Geschäfts, Helman Sitohang, räumen zwei weitere langjährige Spitzenmanager ihre Posten. Edwin Low soll ab dem 1. Juni das Asien-Geschäft leiten. Die Suche nach einem neuen Finanzchef sei eingeleitet worden. Francesca McDonagh übernehme zum 1. Oktober zudem die Leitung der Region Europe, Naher Osten und Afrika. Interimistisch bekleidet Vermögensverwaltungschef Francesco De Ferrari gegenwärtig dieses Amt. Seit Anfang 2020 ist damit die gesamte Geschäftsleitung ausgewechselt worden.

Die Fehlschläge haben die Credit Suisse zum Sorgenkind Nummer eins der europäischen Bankbranche gemacht. Dass die Anleger der Credit Suisse misstrauen, zeigt auch der Börsenkurs. Nach einem Minus von 22 Prozent im vergangenen Jahr hat die Aktie im bisherigen Jahresverlauf weitere 25 Prozent verloren. Am Mittwoch gab der Titel ein Prozent nach. Das Tagesgeschäft habe sich sehr schwach entwickelt, erklärte Citi-Analyst Andrew Coombs mit Blick auf das Quartal. Ihn wie auch seine Kollegin Flora Bocahut treibt zudem der Rückgang der Kernkapitalquote auf 13,8 Prozent und damit unter den Zielwert von 14 Prozent um. "In Anbetracht der mangelnden Ertragsdynamik bei der CS und möglicher zusätzlicher Rückstellungen für Rechtsstreitigkeiten wird der starke Rückgang der Eigenkapitalquote in diesem Quartal, auch wenn er dem bei anderen Unternehmen nicht unähnlich ist, unserer Meinung nach Anlass zur Sorge geben", erklärte die Jefferies-Analystin. Eine Kapitalerhöhung plant die Credit Suisse einem Insider zufolge allerdings nicht.