Zürich (Reuters) - In der Schweiz ist ein Ende der seit mehr als sechs Jahren andauernden Negativzinsperiode weiterhin nicht in Sicht - trotz anziehender Inflation und Signalen von der US-Notenbank (Fed) und der Europäischen Zentralbank (EZB) für einen möglichen Ausstieg aus der ultra-lockeren Geldpolitik.

"Wir haben immer noch einen hoch bewerteten Schweizer Franken und immer noch einen sehr geringen Inflationsdruck und wir haben immer noch unterausgelastete Produktionskapazitäten", sagte der Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB), Thomas Jordan am Donnerstag. "Für uns ist klar, dass wir unsere expansive Geldpolitik beibehalten müssen, um den Aufschwung zu unterstützen und um sicherzustellen, dass die Inflation im Bereich der Preisstabilität bleibt."

Die Schweizer Währungshüter hielten bei ihrer vierteljährlichen Geldpolitischen Lagebeurteilung am Leitzins von minus 0,75 Prozent fest und bekräftigten ihre Bereitschaft, mit Fremdwährungskäufen gegen eine wirtschaftsschädliche Aufwertung des Frankens vorzugehen. Von Reuters zuvor befragte Volkswirte hatten übereinstimmend unveränderte Zinsen prognostiziert. "Wenn Sie geldpolitische Maßnahmen erwarten, sind Sie hier an der falschen Adresse", erklärte Ökonom David Oxley von Capital Economics.

Fed und EZB kündigten zuletzt erste kleine Schritte an, um ihre milliardenschweren Anleihen-Kaufprogramme zurückzufahren, die US-Währungshüter stellten sogar eine erste Zinserhöhung für das kommende Jahr in Aussicht. Die norwegische Zentralbank hob den Leitzins am Donnerstag an und ließ die Null-Marke hinter sich. Jordan sah im Vorgehen von Fed und EZB ein positives Zeichen. "Wenn die großen Zentralbanken der Welt - und ich möchte ihre geldpolitischen Entscheidungen nicht kommentieren - in Richtung Normalisierung gehen, ist das ein sehr gutes Zeichen für den Zustand der Weltwirtschaft, und das ist auch ein positives Zeichen für die Schweizerische Nationalbank", sagte der 58-Jährige, bei dem bis zuletzt offen war, ob er nach einer Herzoperation im August rechtzeitig für das Zinstreffen an den Arbeitsplatz zurückkehren wird.

VORSICHTIGERE WACHSTUMS- UND HÖHERE INFLATIONSPROGNOSE

Vorsichtiger als zuletzt fällt die Konjunktureinschätzung der SNB aus. Sie rechnet im laufenden Jahr mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um rund drei Prozent, nachdem sie im Juni noch von rund 3,5 Prozent ausgegangen war. Die gesamtwirtschaftlichen Produktionskapazitäten würden noch eine Weile unterausgelastet bleiben, erklärte die Notenbank. Aufgrund der Pandemie unterliege die Prognose zudem einer erhöhten Unsicherheit.

Die Teuerung dürfte dagegen dieses und nächstes Jahr etwas stärker anziehen als bislang veranschlagt, hauptsächlich wegen der höheren Ölpreise und Waren, die von Lieferengpässen betroffen sind. Längerfristig befürchtet die SNB allerdings keinen stärkeren Aufwärtstrend. Die Verbraucherpreise dürften dieses Jahr um 0,5 Prozent steigen, im kommenden dann um 0,7 Prozent und 2023 um 0,6 Prozent. Handlungsbedarf zeichnet sich für die Notenbank, die eine Inflation zwischen null und zwei Prozent anpeilt, damit nicht ab.