Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones)--Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) ist nach Angaben des Linke-Fraktionsvize Fabio De Masi anders als zuvor angekündigt doch persönlich zur Sondersitzung des Bundestagsfinanzausschusses zu den Durchsuchungen seines Ministeriums im Zusammenhang mit der Anti-Geldwäscheeinheit FIU erschienen. "Überraschung Olaf Scholz ist im Finanzausschuss", erklärte De Masi über den Kurznachrichtendienst Twitter. Der Nachrichtensender Phoenix berichtete, der SPD-Kanzlerkandidat habe den Sitzungssaal durch eine Hintertür betreten.

Unmittelbar vor der Sitzung hatten Vertreter von Union und Opposition harte Kritik am geplanten Fernbleiben des Finanzministers geübt. "Eine Durchsuchung in den Räumen des Finanzministeriums ist keine Alltäglichkeit", so FDP-Finanzsprecher Florian Toncar. Unter dem Strich entstehe der Eindruck, Scholz sei ein Finanzminister "der Finanzskandale". Unions-Finanzsprecherin Antje Tillmann hatte gesagt, sobald Fragen nicht beantwortet würden, müsse man "auf Geheimhaltung schalten", was eine persönliche Teilnahme erfordere. Angesichts des bestehenden risikoorientierten Ansatzes müsse "transparent diskutiert werden", nach welchen Kriterien die FIU ermittle.

Hintergrund sind Durchsuchungen im Finanz- und im Justizministerium im Zuge eines laufenden Ermittlungsverfahrens gegen Verantwortliche der FIU. Zudem hatte die Oberstaatsanwaltschaft Osnabrück ein Ermittlungsverfahren gegen Scholz' Finanzstaatssekretär Wolfgang Schmidt eingeleitet, weil dieser über den Kurznachrichtendienst Twitter teilweise einen Gerichtsbeschluss über die Durchsuchung veröffentlicht hatte. Union und Opposition hatten die Razzia zum Anlass für harte Angriffe auf Scholz genommen und ihm Versäumnisse vorgeworfen.


   Kanzlerkandidat hat Wahlkampftermine in Baden-Württemberg 

Scholz hatte für die nicht öffentliche Sitzung, die hybrid in Präsenz in Berlin und per Videokonferenz stattfindet, ursprünglich keine persönliche Teilnahme angekündigt. Der SPD-Kanzlerkandidat hat laut SPD an dem Tag eigentlich mehrere Wahlkampftermine in Baden-Württemberg, so um 12.00 Uhr in Tübingen. Linke-Fraktionsvize Fabio De Masi hatte das Beharren auf persönlicher Teilnahme von Scholz als "ein Schmierentheater der CDU" bezeichnet, um von einem Versagen der großen Koalition beim Thema Geldwäsche abzulenken.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die beim Zoll angesiedelte FIU, weil durch Banken gefertigte Geldwäsche-Verdachtsmeldungen in Millionenhöhe durch diese nicht an Polizei und Justiz weitergeleitet worden seien. Das Finanzministerium hatte betont, durch die risikoorientierte Bearbeitung der Verdachtsmeldungen setze die Zentralstelle Schwerpunkte bei der Analyse der Verdachtsmeldungen.

Nach der Bekanntgabe der Durchsuchungen waren Ungereimtheiten über deren Ziel entstanden. Die Staatanwaltschaft hatte erklärt, es solle untersucht werden, "ob und gegebenenfalls inwieweit die Leitung sowie Verantwortliche der Ministerien sowie vorgesetzte Dienststellen in Entscheidungen der FIU eingebunden waren". Schmidt hatte daraufhin den zugrundeliegenden Beschluss nach eigenen Angaben veröffentlicht, um den Eindruck zu korrigieren, dass gegen Beschäftigte des Ministeriums ermittelt werde. Die SPD will laut ihrem Finanzexperten Jens Zimmermann in diesem Kontext nun "Fragen an das Vorgehen der Staatanwaltschaft Osnabrück" aufwerfen.

Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

DJG/ank/apo

(END) Dow Jones Newswires

September 20, 2021 04:55 ET (08:55 GMT)