BERLIN (dpa-AFX) - Eine Führungsrolle Deutschlands in der Welt, Militär als Mittel der Friedenspolitik und Kehrtwende im Verhältnis zu Russland: Die SPD will ihre Außen- und Sicherheitspolitik auf dem Parteitag im Dezember neu aufstellen. Die Kommission Internationale Politik der Partei legte am Montag ein erstes Konzept dafür vor, in dem auch Fehler in den letzten Jahrzehnten eingeräumt werden - gerade, was die Russland-Politik angeht. Die Zeitenwende im Zuge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine zeige, "dass wir Entwicklungen der vergangenen Jahre nicht immer richtig eingeschätzt haben".

Das Konzept der Parteikommission mit dem Titel "Sozialdemokratische Antworten auf eine Welt im Umbruch" wurde am Montag von Parteichef Lars Klingbeil im Parteipräsidium und auf einer Pressekonferenz vorgestellt. Klingbeil hatte die Debatte über eine Neuausrichtung demokratischer Außenpolitik bereits im vergangenen Jahr mit zwei Grundsatzreden angestoßen. Darin hatte er gefordert, dass Deutschland den Anspruch einer "Führungsmacht" verfolgen und das Militär als ein Mittel der Politik verstehen sollte. Außerdem räumte er eine Reihe von Fehlern der SPD in der Russland-Politik ein. All das findet sich jetzt in dem 21-seitigen Kommissionspapier wieder, wenn auch in veränderter Form.

"Führungsrolle" statt "Führungsmacht"

Klingbeils Begriff der "Führungsmacht" taucht in dem Papier nicht auf, er war beim linken Flügel der Partei auf Vorbehalte gestoßen. Dafür ist nun von einer deutschen "Führungsrolle" die Rede. "Ein kooperativer Führungsstil ist ein moderner Führungsstil und die Antwort auf eine Welt im Umbruch", heißt es. Führung bedeute nicht, dass sich Deutschland über andere hinwegsetze, sondern mit Initiativen vorangehe um gemeinsame Ziele zu erreichen. Für viele Staaten der Welt sei Deutschland ein wichtiger Partner. "Und genau deshalb erwarten sie, dass Deutschland auf internationaler Ebene mehr Initiative zeigt und eine Führungsrolle einnimmt."

Militär als Mittel der Friedenspolitik

Inwieweit Deutschland auch militärisch eine Führungsrolle übernehmen sollte, ist in der SPD umstritten. Das wird auch aktuell in der Diskussion über Waffenlieferungen in die Ukraine deutlich. Viele in der Partei setzen auf einen zurückhaltenden Kurs, allen voran Fraktionschef Rolf Mützenich, der sich mehr diplomatische Initiativen wünscht. Die Parteikommission benennt nun das Militär als Mittel der Friedenspolitik: "Zu einer wirkungsvollen Friedenspolitik gehören neben Diplomatie und einer engagierten Entwicklungspolitik auch die militärischen Fähigkeiten unserer Sicherheits- und Verteidigungsbündnisse."

Das Papier enthält ein klares Bekenntnis zum Nato-Ziel, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung zu investieren. Bis zum Ukraine-Krieg war das noch undenkbar. Es ist gar nicht so lange her, dass ein SPD-Außenminister Sigmar Gabriel das Ziel mit der Warnung vor einem "Militärbullen" in der Mitte Europas ablehnte. Diese Zeiten sind nun endgültig vorbei.

Sicherheit vor Russland statt mit Russland

Auch vorbei sind die Zeiten, in denen die SPD die Partnerschaft mit Russland gepflegt hat. Im immer noch gültigen Grundsatzprogramm der Partei von 2007 wird die strategische Partnerschaft mit Russland als "unverzichtbar" für Deutschland und die Europäische Union bezeichnet. Und selbst im Wahlprogramm der SPD von 2021 heißt es noch: "Frieden in Europa kann es nicht gegen, sondern nur mit Russland geben." Nun wird dieser Satz ins Gegenteil gedreht: "Solange sich in Russland nichts fundamental ändert, wird die Sicherheit Europas vor Russland organisiert werden müssen."

Die SPD-Kommission distanziert sich in dem Kommissions-Papier auch grundsätzlich von der Russland-Strategie, die sie über viele Jahre verfolgt hat. "Das Festhalten an der Annahme, mit immer stärkeren wirtschaftlichen Verflechtungen langfristig zu einer Demokratisierung und Stabilisierung Russlands beizutragen, war ein Fehler."

Keine Abkopplung von China

Mit Blick auf China spricht sich die SPD in dem Papier gegen eine Abkopplung aus. "Der Dialog mit China sollte gesucht und robust und konstruktiv-kritisch geführt werden", heißt es darin. "Menschenrechtsverstöße oder Protektionismus gehören genauso angesprochen wie unser Bekenntnis zur Ein-China-Politik und zu der Überzeugung, dass die Taiwan-Frage nur einvernehmlich in einem friedlichen Verfahren geklärt werden kann."/mfi/DP/jha