Von Andrea Thomas

BERLIN (Dow Jones)--Die SPD-Politikerin Bärbel Bas ist zur neuen Bundestagspräsidentin gewählt worden. In der konstituierenden Sitzung des 20. Deutschen Bundestags wurde die Politikerin mit 576 der 724 abgegebenen Stimmen gewählt. Damit tritt sie die Nachfolge des bisherigen Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble (CDU) an, der nun einfacher Abgeordneter ist.

Traditionell stellt die größte Fraktion den Bundestagspräsidenten. In dieser Legislaturperiode ist die SPD mit 206 Abgeordneten die größte Fraktion, gefolgt von 197 Mandatsträgern von der CDU/CSU.

Die 53-jährige Duisburger Sozialversicherungsfachangestellte und nun frisch gewählte Bundestagspräsidentin Bas sitzt seit 2009 für die SPD im Bundestag. Sie hat sich schwerpunktmäßig mit Gesundheits- und Sozialthemen befasst. Die bisherige stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende sieht soziale Gerechtigkeit und einen starken Sozialstaat als ihre Kernanliegen.


Schäuble mahnt Politiker 

Schäuble sagte in seiner Rede als Alterspräsident, der die konstituierende Sitzung des Parlaments eröffnete, dass der Bundestag streitbar sein und gleichzeitig Kompromisse finden müsse. Angesichts der Größe des Bundestags werde es umso deutlicher, dass eine Wahlrechtsreform nicht länger aufgeschoben werden könne. In den Bundestagsdebatten müsse deutlich werden, dass "nie eine Seite allein recht hat" und um der Sache willen gerungen werden müsse, so Schäuble.

"Suchen wir auch nicht immer nur nach den kleinsten gemeinsamen Nenner, indem wir im Detail streiten. Trauen wir uns etwas zu, ob in Regierungsverantwortung oder in der Opposition, sonst geht verloren, dass die Demokratie eben auch dringend braucht: politische Führung", sagte der 79jährige Schäuble, der seit 49 Jahren im Bundestag sitzt. Dazu müsse man bereit sein, den Menschen auch etwas zuzumuten und nicht nur Antworten zu geben, die gerne gehört würden. Gleichzeitig müssten sich die Abgeordneten vor der Versuchung hüten, alles regeln zu wollen. "Politik weiß nicht immer alles besser", so Schäuble.

Zuvor hatte die AfD zum Auftakt der Sitzung den anderen Fraktionen einen Verstoß gegen die demokratische Tradition vorgeworfen, da nicht der älteste Abgeordnete die Sitzung eröffnete, sondern Schäuble als der dienstälteste Bundestagsabgeordnete. Der AfD-Politiker Alexander Gauland ist der älteste Abgeordnete im Bundestag.


Sechs Bewerber für den Vizeposten 

Die SPD hat außerdem die frühere Integrationsbeauftragte Aydan Özoguz (SPD) für den Posten als Bundestagsvizepräsidentin nominiert. Die Grünen und die FDP haben erneut die bisherigen Bundestagsvizepräsidenten Claudia Roth (Grüne) und Wolfgang Kubicki (FDP) für die Posten vorgeschlagen. Die frühere Grünen-Chefin Roth ist seit 2013 Bundestagsvizepräsidentin. Kubicki übt das Amt seit 2017 aus. Für die Unionsfraktion stellt sich Yvonne Magwas zur Wahl. Die Linke schickt erneut Petra Pau ins Rennen.

Die Wahl des AfD-Kandidaten Michael Kaufmann für das Amt des Bundestagsvizepräsidenten ist hingegen offen. Der bisherige Vizepräsident des Thüringer Landtags hat die Wahl zum Bundestagspräsidium im Vorfeld zum "Lackmustest für die Demokratie" erklärt. In der vergangenen Legislaturperiode sind verschiedene AfD-Kandidaten für den Vizeposten in mehreren Wahlgängen durchgefallen.

Kontakt zur Autorin: andrea.thomas@wsj.com

DJG/aat/apo

(END) Dow Jones Newswires

October 26, 2021 07:34 ET (11:34 GMT)