Brüssel/Berlin/Wien (Reuters) - Die russische Regierung kritisiert den westlichen Preisdeckel auf Öl aus heimischer Produktion scharf.

Es sei "offensichtlich und unbestreitbar, dass die Verabschiedung dieser Entscheidungen ein Schritt zur Destabilisierung der Weltenergiemärkte ist", sagte der Sprecher des Präsidialamtes, Dmitri Peskow, am Montag in Moskau. Die Maßnahme beeinträchtige aber nicht das militärische Vorgehen gegen die Ukraine. "Russland und die russische Wirtschaft verfügen über die erforderlichen Kapazitäten, um die Bedürfnisse und Anforderungen der speziellen Militäroperation vollständig zu erfüllen", sagte Peskow vor Journalisten.

Der frühere Präsident Dmitri Medwedew, jetzt stellvertretender Vorsitzender des Sicherheitsrats, warnte vor einem "unvorstellbaren" Anstieg der Weltmarktpreise. Der Westen führe "einen ungleichen Kampf mit dem russischen Bären und General Frost", schrieb Medwedew auf "Telegram". Einem Insider zufolge bereitet die russische Regierung ein Dekret vor, das heimischen Unternehmen und Händlern geschäftliche Kontakte mit Ländern und Firmen verbieten, die sich an der Obergrenze orientieren. Für die Verbraucher werde das nichts Gutes bringen. "Also lasst sie sich mit Schnaps, Bettdecken und Wasserkochern eindecken", so Medwedew.

Das Bundeswirtschaftsministerium rechnet nicht mit Engpässen bei Öllieferungen. Die Versorgungssicherheit sei in ganz Deutschland gewährleistet, was den Osten natürlich einschließe, sagte ein Sprecher in Berlin. In Ostdeutschland gebe es neben der Raffinerie Schwedt noch die Anlage in Leuna. Beide seien auf die jetzige Situation gut vorbereitet. Die Verträge, die auf russischen Öllieferungen basierten, liefen zum Jahresende aus und würden dann ersetzt.

Der Preisdeckel sei "ein Experiment mit guten Chancen auf Erfolg", sagte der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, der Nachrichtenagentur Reuters. Zwar habe Russland angekündigt, den Preisdeckel von 60 Dollar nicht zu akzeptieren, doch hielten Marktakteure diese Drohung nicht für realistisch. "Der Ölpreis ist in den vergangenen Monaten gesunken und auch trotz dieser Androhung nicht merklich gestiegen", sagte Fratzscher. "Somit dürfte der Preisdeckel für russisches Öl sich als erfolgreiches Instrument erweisen, globale Preise zu stabilisieren." Der österreichische Energieexperte Walter Boltz rechnet damit, dass das Ölembargo gegen Russland die Preise für einige Wochen um bis zu 20 Prozent nach oben treiben könnte. Insgesamt erwarte er jedoch keine massiven Auswirkungen auf die europäischen Endkundenmärkte, sagte der frühere Chef des Energieregulators E-Control und derzeitige Berater der Bundesregierung in Wien im ORF Radio.

CHINA MACHT NICHT MIT

EU-Länder und die mit ihnen verbündeten führenden Industriestaaten müssen bei ihrem Ölpreisdeckel gegen Russland wohl auf chinesische Hilfe verzichten. Peking wolle seine Energiekooperation mit Russland auf der Grundlage von Respekt und gegenseitigem Nutzen fortsetzen, berichtete die russische Nachrichtenagentur RIA unter Berufung auf das chinesische Außenministerium. Die Volksrepublik hat ihre Importe von russischem Öl in diesem Jahr erhöht, das deutlich günstiger zu haben ist als andere Ölsorten.

Diesen Montag ist der Preisdeckel auf russisches Erdöl in Kraft getreten. Damit wollen die EU, die G7-Staaten und Australien Russland im Krieg gegen die Ukraine finanziell unter Druck setzen. Alle 27 EU-Mitgliedstaaten erteilten am Wochenende laut EU-Kommission ihre Zustimmung zu einer Preisobergrenze von 60 Dollar pro Barrel für russisches Erdöl, das über den Seeweg transportiert wird. Das wären gut zehn Prozent weniger als der Marktpreis von 67 Dollar für russisches Ural-Öl am Freitag.

Vom Deckel ausgenommen ist Pipeline-Öl, das nach Europa fließt. Darauf hatte unter anderem Ungarn gedrungen. Die deutsche Bundesregierung will ab 2023 aber auch auf diesem Weg kein russisches Öl mehr abnehmen. Sie sucht nach anderen Wegen, um die Belieferung der für die Treibstoffversorgung im Osten Deutschlands wichtigen Raffinerie in Schwedt zu sichern.

Seit Montag dürfen EU-Schifffahrtsunternehmen russisches Rohöl nur noch befördern, wenn es unter oder zu der G7-Preisobergrenze verkauft wird. Das gilt auch für Versicherer, Rückversicherer oder andere Finanzierungen des Ölgeschäfts. Da die wichtigsten Schifffahrts- und Versicherungs-Unternehmen der Welt in den G7-Ländern ansässig sind, könnte die Preisobergrenze es Russland tatsächlich erschweren, sein Öl zu einem höheren Preis zu verkaufen.

(Bericht von Jan Strupczewski, Alexandra Schwarz-Goerlich, Rene Wagner, Christian Krämer, redigiert von Sabine Ehrhardt - Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)