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PARIS (dpa-AFX) - Bei den französischen Regionalwahlen haben Staatschef Emmanuel Macron und die Rechtspopulistin Marine Le Pen schwere Dämpfer erhalten. Le Pens Rassemblement National (RN/früher: Front National) belegte in der ersten Runde hinter der bürgerlichen Rechten abgeschlagen Platz zwei, wie Hochrechnungen ergaben. Einzig in der südlichen Region Provence-Alpes-Côte-d'Azur landete der Kandidat der Le-Pen-Partei vorne und hielt damit die Hoffnung der extremen Rechten aufrecht, erstmals eine Region zu gewinnen. Die zweite und entscheidende Wahlrunde ist an diesem Sonntag (27.6.) geplant.

Die Abstimmung am vergangenem Sonntag legte offen, was bereits im Vorhinein vermutet worden war: dass Macrons Präsidentenpartei LREM in den Regionen kaum Rückhalt hat. Sie erreichte laut Hochrechnungen nur knapp elf Prozent. "Die Ergebnisse sind schlecht. Wir wissen es", räumte der Macron-Vertraute und Ex-Minister Christophe Castaner am Montag im Sender Franceinfo ein. Der 43-jährige Macron und Le Pen könnten laut bisherigen Umfragen in knapp einem Jahr erneut im Endduell der Präsidentschaftswahl stehen. Die wegen der Corona-Krise um drei Monate verschobenen Regionalwahlen gelten deshalb auch als ein Stimmungstest für den erbitterten Kampf um das höchste Staatsamt.

Viele Franzosen reagierten dennoch mit Desinteresse oder Ablehnung. Die Wahlbeteiligung mit geschätzt 31 bis 34 Prozent dürfte ein historisches Tief erreicht haben. Medien sprachen alarmiert von einem "Streik an den Wahlurnen". Die Tageszeitung "Libération" kommentierte, die jüngste Entspannung in der Corona-Krise und die Hitzewelle hätten die Franzosen dazu bewegt, die neu gewonnene Freiheit und Sorglosigkeit zu nutzen. Bürger beklagten in Interviews, einen Wahlkampf habe es kaum gegeben.

Auch Spitzenpolitiker reagierten schockiert. "Die Franzosen finden, dass es sich nicht mehr lohnt, wählen zu gehen", resümierte Innenminister Gérald Darmanin im TV-Sender France 2. Das sei "eine Niederlage für uns alle", sagte er. "Wenn die Enthaltung gewinnt, verliert die Demokratie", warnte Premier Jean Castex. Mit Blick auf die zweite Runde appellierte er: "Gehen Sie am nächsten Sonntag wählen!"

Der Generaldirektor des Meinungsforschungsinstitut Ipsos, Brice Teinturier, sagte im Sender France Inter, es habe in der Wahl kein hervorstechendes Thema gegeben - und das Land sei "nicht wütend". In der vorigen Abstimmung 2015 sei das anders gewesen. Sie hatte unter dem Eindruck von Terroranschlägen stattgefunden. Teinturier sagte, die niedrige Wahlbeteiligung habe insbesondere das Abschneiden Le Pens Partei negativ beeinflusst. Mit Blick auf die erwartete Wahlschlacht zwischen Macron und Le Pen im kommenden Jahr sagte der Politologe: "Die Umfragen sagen es uns auch, dass die Franzosen etwas anderes wollen als dieses Duell."

Hoffnungsschimmer für die extreme Rechte ist bei den Regionalwahlen vor allem die Region Provence-Alpes-Côte-d'Azur (Paca). RN-Bewerber Thierry Mariani holte hier nach Zahlen des Innenministeriums 36,4 Prozent der Stimmen. Der Konservative Renaud Muselier landete mit 31,9 Prozent deutlich hinter dem ehemaligen Minister in der konservativen Regierung des damaligen Präsidenten Nicolas Sarkozy. Noch hat aber kein Lager die Region für sich gewonnen. Zur zweiten Runde können sich Parteien zu neuen Bündnissen zusammenschließen, um mehr Stimmen auf sich zu vereinen. Beobachter erwarten, dass Linke, Liberale und Konservative sich im Kampf gegen Mariani zusammentun werden. Landesweit kam RN in der ersten Runde laut Hochrechnung des Instituts Ipsos/Sopra Steria auf etwa 19 Prozent. Bei den Wahlen 2015 hatte die damalige Front National in der ersten Runde mit 27,7 Prozent der Stimmen in Führung gelegen. Eine Region gewann sie letztlich aber nicht.

Stärkste Kraft war am Sonntag das bürgerlich-konservative Lager mit gut 28 Prozent. In der nördlichen Region Hauts-de-France profilierte sich Ex-Minister Xavier Bertrand, der sich damit bereits für die Präsidentenwahl in zehn Monaten in Stellung brachte. Die - auf nationaler Ebene zerstrittenen - konservativen Republikaner und Verbündete halten gemeinsam mit den Sozialisten, die mit etwa 16 Prozent auf Platz drei liegen, zurzeit die meisten Regionen. Das grüne Lager erreichte rund 13 Prozent der Stimmen.

Mit den Wahlen werden unter anderem die Regionalräte neu besetzt. Frankreichs Regionen haben etwa in den Bereichen öffentlicher Verkehr, Bildung und Wirtschaftsförderung wichtige Kompetenzen. Verglichen mit den deutschen Bundesländern ist ihr Einfluss aber begrenzt./cb/rbo/DP/jha