Frankfurt (Reuters) - Rezessionssorgen und enttäuschende Firmenbilanzen drücken Europas Börsen nach der Jahresanfangsrally erneut ins Minus.

Der deutsche Leitindex Dax notierte am Donnerstagnachmittag 1,7 Prozent tiefer bei 14.925 Punkten. Sein europäisches Pendant Eurostoxx verlor 1,8 Prozent auf 4101 Zähler.

"Nach dem wahrlich fulminanten Jahresauftakt mit über 1000 Punkten Plus war es nur eine Frage der Zeit, bis dem Deutschen Aktienindex die Luft ausgeht", sagte Anlagestratege Jürgen Molnar vom Brokerhaus RoboMarkets. "Die 15.200-Marke hat sich als ein hartnäckiger Widerstand erwiesen, und eine schwache Wall Street nach Daten zur Industrieproduktion und zum Einzelhandel in den USA gestern tat ihr Übriges." Die Aktienmärkte jenseits des Atlantiks gelten als Weltleitbörsen, die Europas Anlegern Teil des Kurses vorgeben. Zudem schalte unter 14.950 Punkten die Börsenampel im Dax auf Rot, erklärte Molnar weiter. Deswegen könne nun eine größere Korrektur der Rally seit Oktober vergangenen Jahres ins Haus stehen.

Zünglein an der Waage könnten laut Börsianern die Zahlen des Streaming-Anbieters Netflix sein, die nach US-Börsenschluss erwartet werden. Der Finanzbericht gilt als erster Stimmungstest für die Technologiebranche in der laufenden Bilanzsaison. Analystenprognosen zufolge gewann Netflix in den letzten drei Monaten 2022 nur 4,5 Millionen Nutzer. Das wäre die niedrigste Zahl für ein viertes Quartal seit acht Jahren.

Die entschlossene Haltung der Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, setzte unterdessen Staatsanleihen zu. Die EZB wird demnach bei ihrem Kampf gegen die hohe Inflation nicht nachlassen. Die Teuerungsrate sei weiter viel zu hoch, sagte Lagarde in einer Diskussionsrunde auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Auch in der mit Spannung erwarteten Protokoll der Dezember-Sitzung der Notenbank hieß es, eine große Zahl von EZB-Mitgliedern habe sich zunächst für eine Anhebung der Schlüsselzinsen um 75 Basispunkte ausgesprochen.

Im Gegenzug zu den fallenden Anleihekursen stiegen die Renditen. Die zehnjährigen Bunds rentierten mit 2,078 Prozent im Vergleich zu 2,008 Prozent am Mittwoch. Das drückte den europäischen Stoxx-600-Index der Technologiewerte ins Minus von rund zwei Prozent. Eine steigende Inflation und höhere Zinsen entwerten Experten zufolge künftige Gewinne dieser wachstumsstarken Firmen. Aus den Depots flogen unterdessen auch Rohstoffe. Industriemetalle wie Kupfer, Zink, Blei, Zinn und Aluminium verloren zwischen 1,1 und 2,3 Prozent.

SCHWACHE BILANZEN DRÜCKEN KURSE

Bei den Einzelwerten konnte eine Rückkehr in die operative Gewinnzone beim Nürnberger Softwarehaus Suse die Anleger nicht überzeugen. Die Aktien des Linux-Spezialisten rutschen um gut fünf Prozent ab. "Die wichtigste Neuigkeit ist der Cashflow, der schwächer als erwartet ausfällt", monierte Analyst Charles Brennan von der Investmentbank Jefferies.

In London warfen Anleger von Dr. Martens nach einer Gewinnwarnung die Aktien des Schuhherstellers aus den Depots. Die Papiere stürzen in London um bis zu 28,3 Prozent auf 150 Pence ab. Damit sind sie auf dem tiefsten Stand seit ihrem Börsengang im Jahr 2021. Auch der britische Online-Bekleidungshändler Boohoo meldete einen Umsatzrückgang von elf Prozent für sein Weihnachtsgeschäft. Daraufhin fielen die Titel um bis zu sieben Prozent.

In den USA stiegen Anleger bei Procter & Gamble aus. Die Titel des US-Konsumgüterkonzerns fielen im vorbörslichen US-Handel um zwei Prozent auf 143,61 Dollar. Das Unternehmen hatte nach starken Quartalszahlen zwar sein Umsatzziel anheben können. Es behielt allerdings wegen gestiegener Rohstoffpreise sein bestehendes Gewinnziel von plus vier Prozent bei.

(Bericht von Zuzanna Szymanska, Nette Nöstlinger und Anika Ross; Redigiert von Scot W. Stevenson; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)