- von Andreas Rinke und Christian Krämer

Berlin (Reuters) - Die Rekordzahl von 112.323 Neuinfektionen an einem Tag heizt die Corona-Debatte in Deutschland an.

Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldete am Mittwoch zudem einen neuen Höchststand bei der Sieben-Tage-Inzidenz mit gut 584. Der Wert gibt an, wie viele Menschen sich innerhalb einer Woche pro 100.000 Einwohner anstecken. Die Bundesregierung rechnet demnächst mit einer stärkeren Auslastung der Krankenhäuser. Neue Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie wurden aber vorerst nicht angekündigt. Forderungen, die FFP2-Maskenpflicht auszuweiten, kamen von den Grünen.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) rechnet Mitte Februar mit dem Höhepunkt der Omikron-Welle. "Dass die Zahlen so hoch steigen würden, war klar", sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums in Berlin. "Gleichwohl sind diese Zahlen natürlich besorgniserregend." Nun müsse beobachtet werden, wie sich dies auf Krankenhäuser und Intensivstationen auswirken werde. In den USA gebe es schon steigende Belastungen der Intensivmedizin. Dies lasse vermuten, dass es auch in Deutschland "mittelfristig erhebliche Auswirkungen aufs Gesundheitssystem" geben könne. Regierungssprecher Steffen Hebestreit rief erneut alle Bürger auf, sich impfen zu lassen. Dies schütze vor schweren Krankheitsverläufen. "Da können noch weitere Wellen kommen."

Vor der Ministerpräsidentenkonferenz am kommenden Montag gibt es nach Angaben aus Verhandlungskreisen keinen großen Druck für Corona-Verschärfungen. "Entscheidend ist nicht allein die Inzidenz", sagte der CDU-Gesundheitspolitiker Tino Sorge der Nachrichtenagentur Reuters. "Viel relevanter ist der Anteil tatsächlich schwerer Krankheitsverläufe." Die Hospitalisierungs-Inzidenz liege auf niedrigem Niveau. Das RKI gab sie am Mittwoch mit 3,34 an. Sie zeigt, wie viele Menschen pro 100.000 Einwohner in einer Woche mit einer Corona-Erkrankung ins Krankenhaus eingeliefert werden. Auch die Zahl der Corona-Intensivpatienten sank am Mittwoch erneut auf jetzt 2547.

"Jetzt über neue Eingriffe zu spekulieren, bringt wenig", sagte Sorge. Sinnvoller wäre es, die Normalstationen der Kliniken zu stärken, die Datenlage zu verbessern und das Impfen weiter voranzutreiben. Auch aus Länderkreisen hieß es, man müsse zurückhaltend mit weiteren Verschärfungen sein. Nach Bayern und Sachsen-Anhalt kündigte auch Thüringen an, die verschärften 2Gplus-Regeln - Testpflicht auch für zwei Mal geimpfte Personen und Genesene - in der Gastronomie vorerst nicht umsetzen zu wollen.

GRÜNE FÜR STRENGERE MASKENPFLICHT

Der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen sprach sich für eine Verschärfung der Maskenpflicht aus. "Die Ausweitung der FFP2-Maskenpflicht in Innenräumen und der 2Gplus-Regel, wo Masketragen unmöglich ist, wären sinnvolle Ergänzungen", sagte er Reuters. "Im Nah- und Fernverkehr sollte meines Erachtens landesweit FFP2-Maskenpflicht gelten." Die Fallzahlen würden wohl noch weitere Wochen steigen. "In den Krankenhäusern wird die Omikron-Wand frühestens in zwei Wochen ankommen." Man müsse damit rechnen, dass die bisherigen Maßnahmen zum Gegensteuern nicht ausreichten.

Die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit Corona legte laut RKI um 239 auf 116.081 zu. Andere große europäische Staaten kämpfen bereits länger mit sechsstelligen Infektionszahlen wegen der Omikron-Variante des Virus. Frankreich verzeichnete am Dienstag fast eine halbe Million neue Fälle und Italien mehr als 228.000. Spanien meldete dagegen erstmals seit Anfang November mit etwa 94.400 Ansteckungen rückläufige Zahlen.

Die hohen Zahlen befeuern auch die Debatte um eine Impfpflicht in Deutschland. Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, sagte "Bild", dass Arztpraxen Patienten nicht gegen ihren Willen impfen würden. "Die Äußerungen von Herrn Gassen sind zumindest unverständlich, um es vorsichtig zu formulieren", sagte der Sprecher des Gesundheitsministeriums. Noch gebe es gar keine Impfpflicht und Zwangsimpfungen in Praxen werde es ohnehin nicht geben.

Nach Angaben der Bundesregierung wurden am Dienstag 588.611 Personen geimpft. Davon waren 45.837 Erstimpfungen und 458.062 Auffrischungsimpfungen. Das Impftempo liegt damit weiter weit unterhalb der von Kanzler Olaf Scholz anvisierten Zahl von einer Million Impfungen pro Tag.