Die vor Jahren über die Tochter mBank an polnische Häuslebauer vergebenen Franken-Kredite könnten sich als ein Fiasko für die zweitgrößte deutsche Privatbank erweisen. Am Donnerstag entscheidet der Europäische Gerichtshof, ob die österreichische Raiffeisen Bank International (RBI) zu Recht Darlehen in Schweizer Franken an polnische Kunden verkauft hat. Das Urteil gilt Experten zufolge als wegweisend. Der RBI, der mBank und anderen Instituten in Polen drohen hohe Belastungen, die ihre Gewinne auf Jahre auffressen können.

"Das Urteil wird zu einer Lawine von Klagen führen", ist sich Janusz Szewczak von der polnischen Regierungspartei PiS sicher. Der polnische Bankenverband ZBP schätzt, dass sich die Kosten für alle betroffenen Geldhäuser zusammen auf 60 Milliarden Zloty (knapp 14 Milliarden Euro) belaufen könnten, sollten alle Kläger vor Gericht Erfolg haben. Das wäre vier Mal so viel wie die gesamten Gewinne der polnischen Banken im Jahr 2018. "Für Banken in Polen ist dies im Moment die größte Herausforderung", sagt ING-Ökonom Rafal Benecki. Die Gewinne vieler Institute könnten ausgelöscht werden und einige Geldhäuser müssten wahrscheinlich sogar über Kapitalerhöhungen nachdenken.

Hintergrund für die Klagewelle sind Darlehen in Schweizer Franken, die Banken vor vielen Jahren an rund 700.000 Kunden in Polen vergeben haben. Diese Franken-Kredite kosteten damals viel weniger, weil die Zinssätze in der Schweiz geringer waren als in Polen. Das Problem: Seit dem Zusammenbruch der US-Bank Lehman Brothers im Jahr 2008, der als Beginn der globalen Finanzkrise gilt, ist der Schweizer Franken massiv gestiegen, weil er als sicherer Anlagehafen gilt. Gegenüber dem polnischen Zloty verteuerte er sich um 85 Prozent auf gut vier Zloty. Wer also in polnischer Währung verdient, seinen Kredit aber in Franken zurückzahlen muss, zahlt nun erheblich mehr als ursprünglich vereinbart wurde.

FAST EIN DRITTEL ALLER POLNISCHEN HYPOTHEKEN BETROFFEN

Die Summe dieser Fremdwährungsdarlehen in Polen beläuft sich auf umgerechnet gut 28 Milliarden Euro, das entspricht fast einem Drittel aller polnischen Hypotheken. Schätzungen zufolge sind derzeit in Polen mehr als 11.000 Klagen von Kreditnehmern anhängig. Die Zahl der neuen Fälle stieg allein in den ersten sechs Monaten dieses Jahres um 39 Prozent auf 2021, wie Daten des polnischen Justizministeriums zeigen. Vor dem EuGH ist der Fall gelandet, weil ein polnischer Richter das höchste europäische Gericht gefragt hat, ob die damals abgeschlossenen Verträge gegen europäisches Recht verstoßen.

Alleine die mBank, an der die Commerzbank knapp 70 Prozent hält, sitzt auf Franken-Darlehen von umgerechnet rund 3,4 Milliarden Euro. Zwar will Commerzbank-Chef Zielke die polnische Tochter nun verkaufen, um seinen milliardenschweren Konzernumbau zu stemmen. Doch das Hypothekenportfolio muss er wohl behalten, wenn es nach dem Willen der polnischen Finanzaufsicht KNF geht. Commerzbank-Finanzchef Stephan Engels baute bereits vor: Auch wenn die Commerzbank die Franken-Kredite behalten müsse, bringe der Verkauf der mBank genügend Kapitalentlastung für den Konzern, sagte er vergangene Woche. Die Franken-Kredite seien für die Commerzbank ein profitables Geschäft.

Als die RBI im vergangenen Frühjahr die Raiffeisen Bank Polska (Polbank) für rund 760 Millionen Euro an die französische BNP Paribas verkaufte, musste sie das rund drei Milliarden Euro schwere Fremdwährungskredit-Portfolio nach einer Auflage des Regulators behalten. In dem Geschäft mit Schweizer-Franken-Krediten mischten auch die spanische Großbank Santander, die portugiesische BCP Bank sowie die polnischen Institute PKO BP und Getin Noble Bank mit.