DÜSSELDORF/HAMBURG/ERBIL (dpa-AFX) - Die Bundespolizei hat am Samstag am Düsseldorfer Flughafen 15 Mitgliedern einer "Friedensdelegation" die Ausreise in die kurdischen Autonomiegebiete im Irak verboten. Nach Angaben der Linkspartei wollte sich die Delegation im Nordirak über die seit Wochen andauernden Militäraktionen der Türkei informieren und auf die "völkerrechtswidrigen Angriffe" aufmerksam machen. Die Gruppe wollte nach Erbil fliegen, in die Hauptstadt der kurdischen Autonomieregion, die an die Türkei grenzt. Dort wurden laut Aktivisten rund 50 Menschen an der Einreise gehindert.

Vier Mitgliedern wurde in Düsseldorf kein Verbot erteilt, allerdings verpassten sie den Flug. Darunter war auch die Vorsitzende der Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft, Cansu Özdemir.

Die Linkspartei forderte Aufklärung von der Bundesregierung. "Es kann nicht sein, dass Politikerinnen und Politiker, die ihre Rechte wahrnehmen, auf diese Weise in ihrer Arbeit behindert werden", erklärte der Bundesgeschäftsführer der Linken, Jörg Schindler, laut einer Mitteilung.

Nach bisherigen Informationen dürften die Maßnahmen der Bundespolizei rechts- beziehungsweise verfassungswidrig gewesen sein, erklärte Hamburgs Parlamentspräsidentin Carola Veit (SPD). Laut Grundgesetz sowie der Verfassung der Hansestadt dürfen Abgeordnete während der Dauer ihres Mandats weder verhaftet noch in sonstiger Weise in ihrer Freiheit und in der Ausübung ihres Mandats behindert werden. Veit kündigte an, dass sich "mit Sicherheit" auch das parlamentarische Kontrollgremium in Hamburg mit dem Vorgang beschäftigen werde.

Die Bundespolizei sah laut einem von Özdemir geposteten Foto einer "Ausreiseuntersagung" einen Zusammenhang zwischen Informationen deutscher Sicherheitsbehörden über eine "menschliches Schutzschild" genannte Aktion PKK-naher kurdischer Vereine und der geplanten Reise. "Dazu sollten ab Anfang Juni Personen in Gruppen in die kurdischen Gebiete einreisen, um von dort aus die Krisenregion zu erreichen", heißt es in dem Papier, das nach Angaben von Özdemir gleichlautend an alle 15 Mitglieder ausgehändigt wurde. Eine Sprecherin der Bundespolizei äußerte sich nicht zu dem Papier.

"Es ist völliger Quatsch, was da drin steht", sagte Özdemir der Deutschen Presse-Agentur. Sie habe bei der Reise unter anderem das Flüchtlingslager Machmur besuchen und den deutschen Generalkonsul treffen wollen.

Eine Sprecherin der Bundespolizei nannte als Anlass für die "grenzpolizeiliche Befragung", "dass wir nicht ausschließen konnten, dass von Personen dieser Gruppe Gefährdungen ausgehen könnten, die die Sicherheitsbelange der Bundesrepublik Deutschland im Ausland nachhaltig schädigen könnten". Nähere Angaben zu den Ausreiseverboten machte die Bundespolizei nicht.

Sabine Boeddinghaus, ebenfalls Fraktionsvorsitzende der Hamburger Linksfraktion, erklärte: "Wir sind fassungslos darüber, dass deutsche Sicherheitsbehörden eine politische Delegation mit gewählten Abgeordneten wie Schwerkriminelle behandeln und an der Ausreise hindern - ohne nachvollziehbare Rechtsgrundlage." Boeddinghaus sprach von einer "Freiheitsberaubung im Dienste Erdogans", dem türkischen Präsidenten.

Die Bundespolizei erklärte, dass Özdemir sich zunächst nicht als Abgeordnete zu erkennen gegeben habe. Özdemir widersprach. "Ich habe den Beamten mindestens dreimal gesagt, dass ich Abgeordnete bin", sagte sie dem "Hamburger Abendblatt".

Offenbar im gleichen Zusammenhang wurden in vergangenen Tagen im Irak rund 50 Menschen von der Einreise nach Erbil abgehalten und teils zurück nach Deutschland geschickt. Das sagte Aktivistin Sina Reisch in Erbil der Deutschen Presse-Agentur. Allein am Sonntag sei etwa die Hälfte davon zurück nach Berlin und Frankfurt geflogen worden. Es seien auch Anreisende aus anderen Ländern betroffen. Eine Gruppe sei auf ihrem Weg nach Erbil etwa in der katarischen Hauptstadt Doha aufgehalten worden. In Erbil hätten Dutzende in "Abschiebe-Zellen" schlafen müssen, sagte die Sprecherin vom Bündnis "Ende Gelände".

Nach Angaben der Linkspartei waren unter den Ausgewiesenen in Erbil auch das Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses Hakan Tas (Linke) sowie Mitglieder des Jugendverbands Linksjugend Solid. Tas schrieb auf Twitter, dass er 15 Stunden im Sicherheitsbereich des Flughafens von Erbil festgehalten und zweimal verhört worden sei. "Weder durfte ich mich waschen, noch wurde ich mit Lebensmitteln versorgt", schrieb Tas. Er sei dann aber freigelassen worden und jetzt in Sicherheit. Der Journalisten-Union dju zufolge wurden mindestens "mindestens drei Journalist*innen" direkt nach ihrer Ankunft festgesetzt.

Die türkische Regierung und die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK bekämpfen sich seit Jahrzehnten. Die PKK gilt in der Türkei, Europa und den USA als Terrororganisation. Der seit 1984 andauernde Konflikt kostete zehntausende Menschen das Leben. Seit dem Scheitern eines Waffenstillstands im Sommer 2015 fliegt das türkische Militär wieder regelmäßig Angriffe gegen die PKK im Nordirak und in der Südosttürkei. Die PKK wiederum verübt Anschläge./klm/DP/fba