Wien (Reuters) - Der Wiener OMV-Konzern will mit einem grundlegenden Umbau weg von Öl und Gas hin zu nachhaltigen Kraftstoffen und Chemie bis 2050 klimaneutral werden.

"Wenn wir den Lebensstandard überall auf der Welt erhalten und ausbauen und gleichzeitig das Überleben unserer Gesellschaft sichern wollen, müssen wir zu einer nachhaltigeren Wirtschaftsweise übergehen", begründete Konzernchef Alfred Stern am Mittwoch die neue Strategie. Der Umbau wird allerdings mehrere Milliarden Euro an Investitionen pro Jahr verschlingen und die Gewinne auf Jahre dämpfen. Umweltschützer kritisierten den Wandel als viel zu zögerlich. Und auch die Anleger waren nicht glücklich: Die OMV-Aktien brachen zeitweise rund 7,5 Prozent auf unter 40 Euro ein.

Der teilstaatliche Konzern steht so wie die großen Ölmultis BP und Shell unter dem Druck von Regierungen und Investoren, das Geschäft nachhaltiger zu gestalten. Doch anders als viele Branchenriesen setzt die OMV nicht auf Erneuerbare Energien, sondern auf Kunststoffe, Biokraftstoffe und die Kreislaufwirtschaft. Das lukrative Geschäft mit den fossilen Rohstoffen wird schrittweise zurückgefahren: Die Rohölproduktion soll bis 2030 um etwa 30 Prozent, die Erdgasproduktion um etwa 15 Prozent sinken. Bis 2050 will der Konzern die Förderung ganz einstellen. Von Investitionen in Russland, das bisher eine Kernregion war, sieht die OMV künftig ab.

MITTELFRISTIG STABILE GEWINNE

Die strategische Ausrichtung sei nicht überraschend, die Auswirkungen auf die Renditen und der strukturelle Anstieg der Investitionen aber enttäuschend, urteilten die Analysten von Jefferies. Zumindest mittelfristig soll der Gewinn nicht leiden: Bis 2030 erwartet OMV ein operatives Ergebnis vor Lagereffekten (CCS Ebit) von mindestens sechs Milliarden Euro - knapp über dem Ergebnis des Rekordjahres 2021. Die Aktionäre will die OMV mit zumindest stabilen bis steigenden Dividenden bei der Stange halten. Neben dem österreichischen Staat, der 31,5 Prozent hält, ist auch der Staatsfonds aus Abu Dhabi mit 24,9 Prozent an der OMV beteiligt.

Wachstumstreiber soll künftig der Chemiebereich sein, der erheblich gestärkt wird. Eingeschlagen wurde dieser Weg mit dem mehrheitlichen Kauf des Petrochemiekonzerns Borealis. Das Unternehmen produziert hochwertige Kunststoffe, so genannte Polyolefine, die für die Herstellung von Kunststoffprodukten benötigt werden. Sie kommen in verschiedenen Branchen, wie Energie, Automobil, Verpackung, Bau oder Gesundheitswesen zum Einsatz. Vor allem aus Asien sei mit einer hoher Nachfrage zu rechnen, erklärte die OMV.

"Unsere Chemieausrichtung ist die perfekte Kombination, um unseren CO2-Fußabdruck zu reduzieren und gleichzeitig ein hochprofitables wachsendes Unternehmen mit einer progressiven Dividendenpolitik zu bleiben", sagte Finanzchef Reinhard Florey. Mittel- bis langfristig sollen nachwachsende Rohstoffe wie Biokunststoffe zum Einsatz kommen. "Chemicals & Materials wird nicht nur unser Wachstumstreiber sein, sondern auch Nachhaltigkeit, Risiko und Rendite in Einklang bringen und somit unsere Widerstandsfähigkeit gegenüber Marktdynamiken stärken", sagte Konzernchef Stern.

GREENPEACE - "NOCH LANGE NICHT KLIMAFREUNDLICH"

Umweltschützer gaben sich allerdings wenig beeindruckt. Der Rückzug aus Öl und Gas geschehe viel zu langsam und zögerlich, sagte Johannes Wahmlüller, Klima- und Energiesprecher von Global 2000. "Statt einer Reduzierung der Öl- und Gasproduktion um ein Fünftel braucht es mindestens eine Halbierung bis 2030 und Nullemissionen bis spätestens 2040." Auch der Wandel Richtung Chemie ist den Umweltschützern ein Dorn im Auge. "Nur weil Öl zu Plastik gemacht und nicht direkt verbrannt wird, ist das noch lange nicht klimafreundlich", kritisierte Greenpeace. Durch die Produktion und Verbrennung von Kunststoff seien 2019 rund 860 Millionen Tonnen Treibhausgase entstanden - was in etwa den direkten Emissionen aus dem globalen Flugverkehr entspreche.

OMV will künftig jährlich 3,5 Milliarden Euro investieren, mindestens 40 Prozent davon in CO2-arme Produkte. Das Geld soll aus den Gewinnen der Öl- und Gasproduktion kommen. Die Ausgaben für die Öl- und Gasproduktion würden bis 2026 fortgesetzt, wobei der Schwerpunkt auf der Entwicklung von Gasprojekten liegen werde, hieß es. Der Anteil von Gas werde damit auf 60 Prozent steigen. Strategisch wichtig sei etwa das Gasförder-Projekt Neptun im Schwarzen Meer, wo die OMV-Tochter Petrom 50-Prozent-Partner des staatlichen rumänischen Energiekonzerns Romgaz ist. OMV-Chef Stern rechnet damit, dass das Land bald ein neues Offshore-Gesetz beschließen wird und die OMV dann 2023 grünes Licht für das unter zwei Milliarden Euro teure Projekt geben kann. Das erste Gas könnte 2027 fließen.