FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Inflation in Deutschland steigt immer höher. Im September kletterten die Lebenshaltungskosten so stark wie seit etwa 70 Jahren nicht mehr. Angetrieben von steigenden Energie- und Lebensmittelpreisen legten die Verbraucherpreise im September gegenüber dem Vorjahresmonat um 10,0 Prozent zu, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag in einer ersten Schätzung mitteilte. Das sagen Ökonomen zu der Entwicklung:

Michael Heise, Chefökonom HQ Trust:

"Wie zu erwarten war, hat der Wegfall der staatlichen Preisermäßigungen für Kraftstoffe und Personenverkehr die Inflationsrate im September kräftig ansteigen lassen - auf den höchsten Wert seit 1951. Die schlechte Nachricht ist, dass die Preise auch ohne diesen Effekt weiter angestiegen sind, was nicht zuletzt auf höhere Lebensmittelpreise zurückzuführen ist. Die hohe Inflation wirkt wie eine Vollbremsung für die Konjunktur: Geringere Kaufkraft und weniger Konsum der privaten Haushalte, steigende Produktionskosten der Unternehmen und konjunkturdämpfende Anti-Inflationsmaßnahmen der Europäischen Zentralbank kommen zusammen."

Thomas Gitzel, Chefvolkswirt VP Bank:

"Die Inflationsrate durchbricht die Schallmauer. Beim Anblick einer zweistelligen Inflationsrate bekommen selbst langgediente Volkswirte wackelige Knie. (...) Mit einer raschen Inflationsberuhigung ist nicht zu rechnen. Die Inflationsrate wird vorerst im zweistelligen Bereich bleiben. Das setzt auch der EZB zu. (...) Leitzinsniveaus im Bereich der 3,5 Prozent sollten für das kommende Jahr vorsorglich eingeplant werden."

Ulrich Kater, Chefökonom Dekabank:

"Die Inflation in Deutschland wird immer noch wesentlich durch die Energiepreise getrieben. Ein Gaspreisdeckel könnte die Inflation kurzfristig etwas abmildern. Wirklich besser wird es aber erst, wenn die Transportkapazitäten für Flüssiggas im kommenden Jahr zügig ausgebaut werden können. Für die kommenden Monate wird auch entscheidend sein, ob die privaten Haushalte auf die hohen Preise reagieren und ihren Winterverbrauch im Vergleich zu den Vorjahren reduzieren."

Johannes Mayr, Chefvolkswirt Eyb & Wallwitz:

"Die Inflationsrate in Deutschland ist im September auf 10 Prozent gesprungen. Der Wegfall von 9-Euro-Ticket und Tankrabatt hat für einen neuerlichen Preisschub gesorgt. Und weiteres Ungemach droht. Denn die enorm hohen Marktpreise für Energie werden in den kommenden Monaten wohl noch stärker an die Haushalte weitergereicht. Die EZB wird den Preisdruck absehbar kaum mindern können. Auch staatliche Entlastungsprogramme können nur temporär für Entlastung sorgen. Deutschland rutscht in eine Winterrezession."

Ralph Solveen, Ökonom Commerzbank:

"Im September war die Inflationsrate in Deutschland zum ersten Mal seit 70 Jahren mit 10 Prozent wieder zweistellig. Haupttreiber bleiben die Energie- und Nahrungsmittelpreise, aber auch in den meisten anderen Gütergruppen steigen die Preise immer schneller. Eine Entspannung ist nicht in Sicht, und auch im kommenden Jahr dürfte die Inflationsrate nur deshalb fallen, weil die Energiepreise auch wegen Eingriffen des Staates kaum noch einmal so stark zulegen werden wie in diesem Jahr. Der unterliegende Preisdruck dürfte aber stark bleiben."

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