Keine Blaupause, Kommentar zum EU-Wiederaufbaufonds von Andreas
Heitker
Frankfurt (ots) - Seit die Idee eines Corona-Hilfsfonds auf dem Tisch liegt,
herrscht in der EU Streit darüber, ob dieser nur ein einmaliges
Anti-Krisen-Paket sein soll oder die EU-Finanzarchitektur dauerhaft verändern
wird. Innerhalb der Mitgliedstaaten und sogar einzelner Regierungen gehen die
Meinungen auseinander. In Berlin hat Finanzminister Olaf Scholz schon früh unter
dem Schlagwort "Hamilton-Moment" einer dauerhaften EU-Verschuldungsfähigkeit das
Wort geredet. Kanzlerin Angela Merkel hat dagegen stets auf die Einmaligkeit
verwiesen.

Jetzt ist die Debatte auch auf Zentralbank-Ebene noch einmal aufgeploppt:
EZB-Chefin Christine Lagarde würde den Fonds gern als dauerhaftes
konjunkturelles Stützungsinstrument sehen, Bundesbankpräsident Jens Weidmann ist
strikt dagegen.

Der neue Schlagabtausch kommt zur Unzeit. Denn in Brüssel bemühen sich die
EU-Gesetzgeber derzeit in äußerst komplexen Verhandlungen mit ohnehin schon
überfrachteten Nebenbedingungen um eine Ausgestaltung des Hilfsfonds. Potenziell
toxische Debatten sind da wenig hilfreich. Hinzu kommt: Auch wer sich nicht von
der Angst vor einer Schuldenunion anstecken lässt, muss anerkennen, dass es eine
klare Verabredung gab: Es geht um eine einmalige EU-Antwort auf eine bislang nie
da gewesene Krise. Ansonsten hätte es im Juli wohl kaum eine Einigung unter den
Staats- und Regierungschefs gegeben.

Ganz unabhängig davon hat die Pandemie aber gezeigt, wie wichtig es wäre, in der
EU oder zumindest der Eurozone eine Fiskalkapazität zu haben, um schnell und
effizient auf externe Schocks reagieren zu können. Für ein solches
Stabilisierungsinstrument gibt es ja auch schon viele Vorschläge. Am Dienstag
hat der Europäische Fiskalrat nachgelegt. Auch Lagarde hatte sich in ihrer Zeit
als IWF-Chefin mit Forderungen nach einem "Schlechtwetterfonds" an der
Diskussion beteiligt.

Der Wiederaufbaufonds hat Elemente einer solchen Budgetkapazität - aber er ist
als Blaupause hierfür nicht geeignet. Dies liegt an seiner Größe, der
Einbeziehung von Zuschüssen und seinen sonstigen Konditionalitäten im Umwelt-
und Digitalbereich. Von daher dürfte eine Umwandlung in ein dauerhaftes
Instrument schwerfallen.

Aber auch wenn der Fonds einmalig bleibt: Er wird lange Teil der EU bleiben. Die
Rückzahlung der Schulden wird erst 2058 abgeschlossen sein. Und er könnte die
Akzeptanz eines Stabilisierungsinstruments, über das in den letzten Jahren in
der Eurogruppe schon so erbittert gestritten wurde, weiter erhöhen.

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