Kein Grund zum Feiern, Kommentar zum chinesischen Wirtschaftswachstum
von Norbert Hellmann
Frankfurt (ots) - Auf dem Papier sieht es ziemlich rosig aus für China. Die
weltweit zweitgrößte Volkswirtschaft ist im Schlussquartal um 6,5 Prozent
gewachsen. Damit wurde ein höheres Tempo angeschlagen als Ende 2019, als noch
niemand das Wörtchen Corona auf den Lippen hatte. China ist es als einziger
unter den führenden Wirtschaftsnationen gelungen, die Corona-Pandemie rasch
unter Kontrolle zu bringen. Als Belohnung dafür kann eine V-förmige
Konjunkturerholung verzeichnet werden. Wegen des scharfen Einbruchs im ersten
Quartal kommt man für das Ge­samtjahr zwar nur auf ein mageres Wachstum von 2,3
Prozent. Auch damit aber hebt man sich positiv von allen anderen Ländern der
G20-Staatengruppe ab, die von Corona ausnahmslos in die Re­zession geschickt
worden sind.

Während Chinas Staatspräsident die Bewältigung der Corona-Pandemie zum Anlass
nimmt, Chinas wachsende Dominanz im Weltkonzert zu ventilieren, sind Ökonomen
etwas vorsichtiger gestimmt. Es ist noch immer zu früh, die Korken knallen zu
lassen, obwohl es einen Meilenstein zu feiern gilt. Zum Jahresende passierte
Chinas Bruttoinlandsprodukt (BIP) die Marke von 100 Bill. Yuan (12,9 Mrd. Euro).
Seitens des Pekinger Statistikbüros wurden am Montag anlässlich der Verbreitung
der neuen Wirtschaftsdaten überraschend bescheidene Töne angestimmt. Auch wenn
die Nation eine beachtliche Stärke in Sachen wirtschaftlicher,
wissenschaftlicher und technologischer Entwicklung an den Tag lege, dürfe man
nicht vergessen, dass China noch immer als weltgrößtes "Entwicklungsland" gelte
und beim Pro-Kopf-BIP weiter unter dem Weltdurchschnitt liege.

China verdankt den raschen Wiederaufschwung in erster Linie einer
eindrucksvollen Belebung der Industrieproduktion, die wiederum von einem
einigermaßen überraschenden Exportboom auf Trab gehalten werden konnte. So hat
die Corona-Misere in westlichen Ländern nicht zum befürchteten Einbruch der
Nachfrage nach chinesischen Produkten geführt. Zum einen liegt dies an der
raschen Anpassungsfähigkeit der Industrie, die blitzschnell auf den neuen
immensen Bedarf an medizinischen Schutzartikeln reagieren konnte. Zum anderen
haben Abschottungsmaßnahmen in den führenden Industrieländern und damit
einhergehende Unterbrechungen von Lieferketten zu einer Auftragsverlagerung nach
China geführt. Damit lässt sich Chinas Wirtschaft allerdings nicht dauerhaft
weiter anschieben. Das Gebot der Stunde ist eine nachhaltigere Erholung des
Konsums, und hier hapert es auch weiterhin.

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