Jagd nach verlorenem Wert, Kommentar zu Bilfinger von Christoph
Ruhkamp
Frankfurt (ots) - Es gibt in Deutschland bald mehr Ideen für
Public-to-Private-Deals als Börsengänge. Beim IPO-Volumen ist Frankfurt hinter
Oslo zurückgefallen. Dagegen nimmt die Zahl der Unternehmen, die als Kandidaten
für eine Übernahme durch Finanzinvestoren samt anschließendem Abschied von
der
Börse gehandelt werden, stetig zu.

Jüngstes Beispiel ist der Industriedienstleister Bilfinger aus Mannheim, mit dem
das schwedische Private-Equity-Haus Cevian viel Geld verloren hat. Jetzt wird
der US-Beteiligungsgesellschaft Clayton Dubilier & Rice ein Übernahmeinteresse
nachgesagt. Ganz ungewöhnlich ist das nicht: Auch für den Chemiehandelskonzern
Brenntag, den Autozulieferer Norma oder den Maschinenbauer Gea kursieren
Planspiele für ein Taking Private durch Private-Equity-Häuser wie Blackstone,
Carlyle oder KKR.

Zum Teil stammen die Kalküle noch aus der Zeit der ersten Coronawelle mit den
abstürzenden Aktienkursen, und sie haben sich teilweise durch die wieder
ansteigenden Kurse von selbst erledigt. Tatsächlich gibt es jedoch auch jenseits
schwankender Aktienkurse ein dauerhaft zunehmendes Interesse der
Finanzinvestoren an börsennotierten Unternehmen. Ihre Kassen sind schlicht
übervoll. Die Renditeschwäche von Anleihen und Aktien brachte ihnen
Kapitalzusagen von mehr als 2 Bill. Dollar von ihren institutionellen Investoren
ein.

So richtet sich der Blick der Private-Equity-Häuser, die ja eigentlich per
Definition und Tradition in nichtbörsennotierte Unternehmen investieren, immer
öfter auch auf die Börse. Laut Anwaltskanzlei White & Case ist das P2P-Volumen
in Europa 2019 um 14 Prozent auf 34,5 Mrd. Euro gestiegen. Paradebeispiel in
Deutschland für Vorstöße in Richtung von Public-to-Private ist die
5-Mrd.-Euro-Beteiligung von KKR an Springer. Im Jahr 2019 waren vier der fünf
größten Private-Equity-Deals in Europa Public-to-Private-Transaktionen. In
Großbritannien hatte das schwache Pfund Gelegenheiten geschaffen: Ein
Apax-Konsortium kaufte den Satellitenbetreiber Inmarsat, und Advent legte sich
den Rüstungskonzern Cobham zu.

Jeder Fall ist wieder anders. Bei Bilfinger gibt es einen vielleicht von der
Börse unentdeckten Wert. Wenn der Finanzinvestor EQT die
Ex-Bilfinger-Gebäudeverwaltungssparte Apleona demnächst wie geplant für bis zu
2
Mrd. Euro an die Börse bringt oder verkauft, dann wird Bilfinger laut alten
Verträgen mit 49 Prozent am Verkaufserlös abzüglich Schulden beteiligt sein.
In
den Büchern von Bilfinger steht das Genussrecht mit 240 Mill. Euro - tatsächlich
dürfte es mehr als doppelt so viel wert sein.

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