- von Alexander Hübner

München (Reuters) - Der neue Siemens-Chef Roland Busch will das Wachstum des Münchner Technologiekonzerns mit einer stärkeren Ausrichtung auf Software beschleunigen.

Der Umsatz soll vom Geschäftsjahr 2021/22 (per Ende September) an um fünf bis sieben Prozent pro Jahr zulegen, wie der 56-Jährige am Donnerstag auf dem ersten Investorentag nach seinem Amtsantritt ankündigte. Bisher hatte sich Siemens vier bis fünf Prozent vorgenommen. Mit Software lassen sich jedoch deutlich höhere Renditen erzielen. "Unsere Wachstumsmotoren sind Digitalisierung, Automatisierung und Nachhaltigkeit", erklärte Busch. "Dabei verstärken sich unser Kerngeschäft und unser Digitalgeschäft gegenseitig." Auch von den billionenschweren Konjunkturprogrammen nach der Corona-Krise, die auf Infrastruktur und Klimaschutz ausgerichtet sind, werde Siemens bei Verkehrs- und Gebäudetechnik profitieren.

Das Geschäft mit digitalen Produkten und Dienstleistungen macht mit 5,3 Milliarden Euro nur knapp ein Zehntel des Umsatzes von Siemens aus, soll aber bis 2025 um jährlich zehn Prozent wachsen. Viele Märkte, in denen Siemens-Kunden tätig sind, seien noch wenig digitalisiert, sagte Busch. "Wir wollen diese Märkte neu erfinden." Dabei steht das Software-Geschäft selbst vor dem Umbau. Statt Lizenzen für Produktionsplanungs- und Konstruktions-Programme zu kaufen und zu installieren, sollen die Kunden sie abonnieren und über die Cloud nutzen ("Software as a Service", SaaS). Das könne vor allem das Geschäft mit dem Mittelstand treiben, hofft Busch. Vorerst werde das die Margen der Vorzeige-Sparte Digital Industries (DI) drücken, langfristig aber für berechenbarere und stabilere Umsätze sorgen.

BUSCHS NEUE HANDSCHRIFT

Die neue Strategie ist die erste, die die Handschrift des ehemaligen Technologievorstands Busch trägt. Eine Revolution ist sie aber nicht, Busch schärft eher nach. Langfrist-Pläne passen nach seiner Ansicht ohnehin nicht recht in eine Wirtschaft im schnellen Wandel. Busch, der im Februar offiziell den Posten des langjährigen Siemens-Chefs Joe Kaeser übernommen hatte, sieht die Verbindung von Maschinen und Anlagen mit Software als größte Stärke von Siemens. "Wir können die reale und die digitale Welt verbinden wie kein anderes Unternehmen", betonte Finanzvorstand Ralf Thomas.

Der Nettogewinn soll dabei stärker zulegen als der Umsatz. Siemens hat sich ein Wachstum des Ergebnisses je Aktie "im hohen einstelligen Prozentbereich" - um acht bis knapp zehn Prozent - vorgenommen. Abschreibungen auf Kaufpreise für Übernahmen (PPA) sind dabei ausgeklammert. Das Geschäft mit Energietechnik, das Kaeser im Herbst als Siemens Energy abgespalten hatte, hatte die Margen jahrelang gedrückt. Ohne das schwerlastige und riskante Kraftwerks-Geschäft ist Finanzchef Thomas zuversichtlich, die seit Jahren angepeilte, aber nie erreichte Kapitalrendite von 15 bis 20 Prozent bis 2023 zu schaffen.

Stärken will Busch das Software-Geschäft auch mit kleineren Zukäufen wie zuletzt dem digitalen Marktplatz Supplyframe, die die bestehenden Märkte erweitern. "Ergänzende Akquisitionen sind das, woran wir glauben. Aber wir hätten auch die Feuerkraft für transformative Übernahmen", sagte er. Die Medizintechnik-Tochter Siemens Healthineers hatte 14 Milliarden Euro für den US-Krebstherapie-Spezialisten Varian ausgegeben und überwiegend über den Mutterkonzern finanziert.

SICHERE DIVIDENDE - WENIGER AKTIENRÜCKKÄUFE

Mit 300 bis 500 Millionen Euro lastet dieser Zukauf im laufenden Geschäftsjahr auf der Bilanz - Siemens steckt das aber dank des brummenden Geschäfts locker weg, wie Thomas klarmachte. Der Nettogewinn werden trotzdem auf 5,7 bis 6,2 Milliarden Euro steigen. Alle Sparten hätten sich im dritten Quartal (April bis Juni) gut entwickelt, sagte Busch, einige sogar besser als man angenommen habe. Das China-Geschäft laufe auf Hochtouren. Von den knappen Kapazitäten auf dem weltweiten Chip-Markt lässt sich Siemens nicht bremsen. "Ich bin sicher, dass wir den Nachschub sichern und liefern können", sagte Busch.

Er versprach den Aktionären künftig eine jährlich steigende, zumindest aber stabile Dividende, nachdem sie im Corona-Jahr 2019/20 zum ersten Mal seit Jahrzehnten gesenkt worden war. Bei Aktienrückkäufen drückt Finanzvorstand Thomas dagegen wegen des steigenden Aktienkurses auf die Bremse: Er will dafür bis 2026 insgesamt drei Milliarden Euro ausgeben, halb so viel wie in den vergangenen fünf Jahren. Das sorgte für Enttäuschung an der Börse, die Aktie gab gegen den Trend leicht nach. "Die Latte lag bei Siemens sehr hoch", sagte ein Händler. "Zudem wollten Analysten in Sparten wie bei der Industrieautomatisierung noch mehr sehen."

Die Automatisierungssparte DI soll trotz des Umbaus im Software-Geschäft im Bereich einer operativen Marge von 17 bis 23 Prozent bleiben. Für die anderen Kernbereiche hob Siemens die Ziele an: Von der Gebäudetechnik-Sparte Smart Infrastructure (SI) erwartet Siemens nun eine operative Rendite von 11 bis 16 (bisher 10 bis 15) Prozent, im Geschäft mit Verkehrstechnik und Zügen (Mobility) 10 bis 13 (bisher 9 bis 12) Prozent.