PEKING (dpa-AFX) - Wie eine neue Weltordnung "Made in China" aussehen könnte, verrät Chinas Außenminister Wang Yi eher nebenher. Er preist die Beziehungen zu Russland als "gutes Beispiel für das Verhältnis zwischen zwei großen Staaten", lobt den "eisernen Bruder" Pakistan oder propagiert die umstrittene chinesische Initiative für eine "Neue Seidenstraße" als "die größte Plattform für internationale Zusammenarbeit". Es ist ein zweistündiger Rundumschlag, den der Außenminister anlässlich der Jahrestagung des Volkskongresses auf einer Pressekonferenz am Freitag in der Großen Halle des Volkes gibt.

Zu Beginn will eine chinesische Journalistin brav wissen, welche Erfolge Chinas Außenpolitik in den 70 Jahren seit Gründung der Volksrepublik verzeichnet habe. "Eine sehr passende Eröffnungsfrage", findet Wang Yi, als sei nicht alles vorher abgesprochen gewesen, als lägen die Antworten nicht alle vorbereitet vor ihm auf dem Tisch. "China steht immer weiter in der Mitte der Weltbühne", liest er zum Einstieg ein Zitat von Staats- und Parteichef Xi Jinping vom Blatt ab. Und natürlich: "Die Errungenschaften sind zu allererst der Führung der Kommunistischen Partei zu verdanken."

Die Welt erlebe "bislang ungesehene Veränderungen", stellt er weiter fest. Dann mahnt er die USA zu Geduld im Atomkonflikt mit Nordkorea. Der Streit dauere schon Jahrzehnte: "Man kann nicht erwarten, dass er über Nacht gelöst wird." Wang Yi warnt die USA und Nordkorea vor überzogenen Forderungen: "Niemand sollte die Latte anfangs zu hoch setzen oder einseitig unrealistische Forderungen stellen."

Das war es genau, was den zweiten Gipfel zwischen US-Präsident Donald Trump und Machthaber Kim Jong Un vergangene Woche in Hanoi scheitern ließ. Während Kim den größten Teil der Sanktionen aufgehoben wissen wollte, hatte Trump neben der Beseitigung aller Atomanlagen auch die Aufgabe der Atomwaffen Nordkoreas gefordert. Schon viermal hat Chinas Präsident Xi den nordkoreanischen Machthaber innerhalb eines Jahres getroffen. "Unsere traditionelle Freundschaft brummt vor Lebenskraft", sagt Wang Yi. Die atomare Abrüstung Nordkoreas hat es wenig vorangebracht.

Auffällig vorsichtig redet der Außenminister über die USA. Immerhin laufen gerade heikle Verhandlungen über ein Ende des Handelskrieges, der Chinas Wirtschaft zunehmend zu schaffen macht. Der Außenminister lobt die Gespräche als "gutes Beispiel für Kooperation". Aber ein Durchbruch lässt länger auf sich warten als gedacht - und damit ein Treffen zwischen beiden Präsidenten im Golfclub von Trump in Mar-a-Lago in Florida, um eine Einigung zu besiegeln.

Beim Umgang der USA mit dem chinesischen Telekomriesen Huawei legt Wang Yi seine Zurückhaltung dann doch noch ab. Das Vorgehen sei "keineswegs ein reiner Justizfall, sondern ein absichtlicher politischer Schritt, um sie kleinzumachen". Mehr noch: Die USA wollten Chinas technologische Entwicklung bremsen, argumentiert er. Die USA unterstellen dem weltgrößten Netzwerk-Ausrüster, spionieren oder sabotieren zu können, auch wenn sie keine Beweise vorlegen.

Die US-Vorwürfe gehen noch weiter: Geldwäsche, Betrug, Verschwörung und Industriespionage. Wegen Bankbetrugs bei der Umgehung der Sanktionen gegen den Iran haben die USA auch die Festnahme der Finanzchefin und Tochter des Konzerngründers, Meng Wanzhou, in Kanada erwirkt und fordern ihre Auslieferung.

"Das Huhn töten, um den Affen zu erschrecken", lautet eine alte chinesische Strategie. So wird erstmal Kanada unter Druck gesetzt. Wegen Spionage werden zwei Kanadier in China festgehalten - der ehemalige Diplomat Michael Kovrig sowie der Korea-Experte Michael Spavor. Diplomaten kritisieren "Geiseldiplomatie" und sehen ein weiteres Indiz für eine neue, aggressivere Außenpolitik Chinas.

Dass auch Chinas Botschafter in der Huawei-Affäre ihre diplomatische Zurückhaltung ablegen, findet Wang Yi nicht schlecht. Sie "formulieren klar und energisch unsere Position", sagt er. "China macht keine Kompromisse, wenn es um seine Souveränität und Würde geht."

Manchmal ist die Strategie auch "teile und herrsche", wie europäische Diplomaten bemängeln. Wang Yi umwirbt die neue, rechtsgerichtete Regierung in Rom, sich der "Seidenstraßen"-Initiative anzuschließen. Das auch "Belt and Road" (BRI) genannte Projekt steht im Mittelpunkt einer neuen Weltordnung in Chinas Sinne. Es geht um milliardenschwere Investitionen in Wirtschaftskorridore zwischen China und Europa, Afrika, bis nach Lateinamerika, aber auch innerhalb Asiens.

Italien wäre die bisher größte Volkswirtschaft und das erste Mitglied der Gruppe der großen Industrienationen (G7), das sich dem Projekt anschließt. Es würde einen Keil in die Gruppe der großen EU-Länder treiben, die Probleme mit der Initiative haben. Den Europäern fehlt es an internationalen Standards, Transparenz, Umweltschutzgarantien, gleichen Wettbewerbsbedingungen und öffentlichen Ausschreibungen. Zu 90 Prozent machen chinesische Unternehmen das Geschäft.

Wer bei der "Seidenstraße" mitmachen will, muss eine scheinbar harmlose Vereinbarung unterschreiben, die "Fallstricke" enthält, wie Diplomaten warnen. Da wird "Respekt vor Kerninteressen" gefordert. Damit meint China seine umstrittenen Machtansprüche auf weite Teile des Ost- und Südchinesischen Meers oder auch auf das demokratische Taiwan, das notfalls gewaltsam erobert werden soll.

China lässt seine wirtschaftlichen Muskeln spielen, winkt mit Milliarden und Infrastrukturprojekten. Wang Yi widerspricht dem Argument, dass Staaten in eine "Schuldenfalle" und Abhängigkeit von China geraten könnten. Auch Italien soll sich nicht dem Druck beugen, von der "Seidenstraße" abzusehen: "Wir vertrauen darauf, dass es sich an die Entscheidung hält, die unabhängig getroffen wurde."/lw/DP/bgf