BRÜSSEL (dpa-AFX) - Die Staats- und Regierungschefs der 30 Nato-Staaten werden sich am 14. Juni bei einem Gipfeltreffen mit der als aggressiv wahrgenommenen Politik Russlands und den sicherheitspolitischen Konsequenzen des Aufstiegs Chinas beschäftigen. Wie Generalsekretär Jens Stoltenberg am Donnerstag ankündigte, soll es bei den Spitzengesprächen in der Brüsseler Bündniszentrale zudem Entscheidungen zur Reforminitiative "Nato 2030" geben. Das Projekt wurde im vergangenen Jahr gestartet, um die Allianz im Umgang mit aktuellen und künftigen Herausforderungen handlungsfähig zu halten.

Zu den Herausforderungen werden neben möglichen Gefahren aus Richtung Russland und China auch der Klimawandel, der internationale Terrorismus sowie Cyberangriffe und neue Technologien gezählt. Der Gipfel sei eine einzigartige Gelegenheit, die Nato als Inbegriff der Bindung zwischen Europa und Nordamerika zu stärken, erklärte Stoltenberg.

Eine besondere Bedeutung kommt dem Spitzentreffen zu, weil es das erste mit dem neuen US-Präsidenten Joe Biden sein wird. Dieser hat versprochen, die unter seinem Vorgänger Donald Trump sehr angespannten Beziehungen zwischen der Nato und den Vereinigten Staaten wieder zu normalisieren.

Zudem könnte der Gipfel wegen der aktuelle Zuspitzung des Ukraine-Konflikts Brisanz bekommen. Russland hat zuletzt eine große Zahl zusätzlicher Truppen in Richtung der Ostukraine und auf die annektierte Halbinsel Krim verlegt. In der Nato wurde deswegen nicht ausgeschlossen, dass Moskau eine neue militärische Intervention vorbereiten könnte. Die russische Regierung sprach bislang von einer Übung und wies Kritik an dem Truppenaufmarsch zurück.

Von den Projekten der Reforminitiative "Nato 2030" dürfte beim Gipfel nach Angaben aus Bündniskreisen vor allem der Plan für eine Überarbeitung des strategischen Konzepts die Zustimmung der Staats- und Regierungschefs finden. Die aktuelle Version stammt aus dem Jahr 2010. Damals hatten die Alliierten noch gehofft, dass die Zeit der großen Spannungen mit Russland vorbei sei und auch mögliche Bedrohungen aus China spielten damals keine bedeutende Rolle. Als konsensfähig gilt zudem die Idee, zusätzliche Konsultationen einführen, um die politische Koordinierung zu stärken.

Kaum Chancen werden hingegen dem Vorschlag Stoltenbergs eingeräumt, die Kosten für Abschreckung und Verteidigung innerhalb des Bündnisgebiets wesentlich stärker zu vergemeinschaften. Etliche Alliierte machten zuletzt in Beratungen deutlich, dass sie nichts davon halten, Zuschüsse an Alliierte zu zahlen, die sich an der Stationierung von Truppen im Baltikum oder an Luftüberwachungseinsätzen beteiligen.

Während der Nato-Gipfel für Biden der erste in seiner Amtszeit sein wird, dürfte er für die bei der Bundestagswahl im Herbst nicht wieder kandidierende Kanzlerin Angela Merkel der letzte sein. Beide Spitzenpolitiker werden direkt zuvor auch beim Gipfel der sieben großen Wirtschaftsmächte (G7) erwartet. Dieser wird von Großbritannien vom 11. bis zum 13. Juni in Cornwall in der Küstenstadt Carbis Bay ausgerichtet./aha/DP/mis