Von Steffen Gosenheimer

NEW YORK (Dow Jones)--Die Aussicht auf neue Konjunkturstimuli in den USA hat am Mittwoch an der Wall Street für Kauflaune und neue Rekorde gesorgt. Der Dow schaffte erstmals in seiner Geschichte den Sprung über die 31.000er Marke. Mit großer Sicherheit haben die Demokraten bei den Stichwahlen die beiden Senatssitze in Georgia erobert. Und mit dieser Demokraten-Dominanz, auch Blaue Welle genannt, verbinden Börsianer laut Teilnehmern "ganz natürlich" die Erwartung weiterer staatlicher Hilfspakete.

Die Kehrseite der Medaille ist, dass dies mit höheren Schulden und mutmaßlich höheren Steuern verbunden sein dürfte. Zudem gelten die Demokraten als regulierungswilliger als die Republikaner, wobei besonders die Unternehmensgiganten im Technologiesektor im Fokus stehen könnten und auch die Ölbranche.

Etwas relativiert werden diese Erwartungen davon, dass die demokratische Mehrheit hauchdünn sein wird. "Wenn sich die Wolken erst verzogen haben, wird man sehen, dass die blaue Wende nur eine sehr marginale ist", sagte Chefstrategin Seema Shah von Principal Global Investors. Auch Aktienexperte Jeffrey Buchbinder von LPL Financial bezeichnete "drastische Änderungen" als unwahrscheinlich.

Untermauert wurde die Erwartungen weiterer Konjunkturstimuli von enttäuschend ausgefallenen Arbeitsmarktdaten für Dezember aus der US-Privatwirtschaft und einer gedämpften Geschäftsaktivität in der US-Dienstleistungsbranche.


  Tumulte vor Kapitol als Störfaktor 

Am Aktienmarkt schlug sich diese Gemengelage in deutlich steigenden Kursen nieder, wobei Technologieaktien hinterherhinkten. Die Nachricht über Tumulte vor dem Kapitol, wo formell der Biden-Sieg bei der Präsidentschaftswahl bestätigt werden sollte und die Sitzung wegen der Gewalteskalation unterbrochen werden musste, ließ die Indizes in der zweiten Handelshälfte deutlicher von den Hochs zurückkommen.

Der Dow-Jones-Index machte am Ende dennoch einen Satz um 1,4 Prozent nach oben auf 30.829 Punkte. Im Tageshoch und Rekordhoch hatte er schon 31.022 Zähler erreicht. Der S&P-500 schloss 0,6 Prozent höher, auch er markierte im Verlauf ein Allzeithoch. Die technologielastigen Nasdaq-Indizes gaben dagegen um bis zu 1,4 Prozent nach.

An der Nyse wurden nach ersten Angaben 2.025 (Dienstag: 2.328) Kursgewinner gezählt. Ihnen standen 1.167 (843) Verlierer gegenüber. Unverändert schlossen 46 (60) Titel.

Am Anleihemarkt stieg das Zinsniveau deutlich. Die Zehnjahresrendite machte einen Satz um 8 Basispunkte auf 1,03 Prozent. Sie lag damit erstmals seit März 2020 wieder über der 1-Prozent-Marke.

Der Dollar zog nach seiner jüngsten Durststrecke zunächst an, profitierte aber nur kurz von den höheren Zinsen. Im Verlauf litt er zusehends unter der Aussicht auf eine höhere Staastverschuldung. Der Dollar-Index lag zuletzt knapp im Minus. Der Goldpreis stand stark unter Druck, zum einen wegen der steigenden Zinsen, zum anderen, weil das Edelmetall durch den steigenden Dollar für Käufer aus dem Nicht-Dollarraum teurer wird. Zudem war es auch als sicherer Hafen nicht gefragt. Die Feinunze verbilligte sich um 29 Dollar oder 1,5 Prozent auf 1.919.


   Finanzaktien hui - Technologieaktien pfui 

Die Kurse der Technologieriesen Apple, Amazon, Alphabet, Facebook, Microsoft oder Netflix gaben zwischen 1 und 3,9 Prozent ab.

Klar favorisiert wurden Aktien aus dem Finanzsektor. Der S&P-500-Bankindex lag fast 6 Prozent im Plus. Bankaktien waren wegen der Konjunkturreagibilität der Branche gesucht, aber vor allem wegen des deutlich erhöhten Zinsniveaus. Höhere Zinsen machen das Geschäft für die Banken einfacher und lukrativer. Von den höheren Zinsen profitieren auch Versicherer, deren Subindex gut 3,5 Prozent gewann.

Unter den Einzelwerten stiegen Moderna um 6,5 Prozent, nachdem der Corona-Impfstoff des US-Unternehmens nun auch in Europa eingesetzt werden kann. Der Kurs des Impfstoffwettbewerbers Biontech legte um 5,0 Prozent zu.

Change Healthcare machten einen Satz um 30 Prozent nach oben, Unitedhealth gewannen 4,2 Prozent. Der US-Krankenversicherer kauft für rund 7,8 Milliarden Dollar das Technologieunternehmen für das Gesundheitswesen.

AmerisourceBergen sprangen um 8,6 Prozent an. Der Pharmagroßhändler übernimmt für 6,5 Milliarden Dollar die Mehrheit des Pharmagroßhandelsgeschäfts Alliance Healthcare von Walgreens Boots Alliance. Dadurch wird Walgreens größter Einzelaktionär. Der Dow-Wert Walgreens legte um 4,5 Prozent zu.

Erneut im Fokus standen die US-Hinterlegungsscheinen der chinesischen Telekomunternehmen China Telecom, China Mobile und China Unicom. Sie verloren zunächst deutlich, gingen dann aber uneinheitlich aus dem Tag. China Mobile verloren 5,5 Prozent, während China Telecom 1,4 Prozent gewannen. Die New Yorker Börse hat eine erneute Kehrtwende gemacht und wird die Notierung der drei Aktien nun doch beenden. Hintergrund ist eine frühere Anordnung von US-Präsident Donald Trump, die darauf abzielt, den Handel mit Wertpapieren von Unternehmen mit Verbindung zum chinesischen Militär zu verbieten.

Weil Kreisen zufolge US-Anleger möglicherweise auch von Investments in Alibaba und Tencent abgehalten werden sollen, sackten Alibaba um gut 5 Prozent ab.


  Ölpreise weiter auf dem Weg nach oben und über 50 Dollar 

Am Ölmarkt ging es nach dem kräftigen Vortagesschub weiter nach oben. Nachdem der WTI-Preis am Dienstag erstmals seit Februar kurzzeitig über 50 Dollar pro Barrel gestiegen war, lag er zuletzt mit einem Plus von 0,9 Prozent bei 50,36 Dollar. Nach dem Opec+-Kompromiss über eine nur ganz leicht steigede Ölförderung sorgten deutlich gesunkene US-Ölvorräte in der vergangenen Woche für steigende Preise.


 
INDEX                 zuletzt      +/- %       absolut      +/- % YTD 
DJIA                30.829,40       1,44        437,80           0,73 
S&P-500              3.748,14       0,57         21,28          -0,21 
Nasdaq-Comp.        12.740,79      -0,61        -78,17          -1,14 
Nasdaq-100          12.623,35      -1,40       -179,02          -2,06 
 
US-Anleihen 
Laufzeit              Rendite   Bp zu VT    Rendite VT      +/-Bp YTD 
2 Jahre                  0,14        2,4          0,12         -105,7 
5 Jahre                  0,43        4,9          0,38         -149,7 
7 Jahre                  0,73        6,1          0,67         -151,7 
10 Jahre                 1,03        7,6          0,95         -141,4 
30 Jahre                 1,81        9,8          1,71         -126,2 
 
DEVISEN               zuletzt      +/- %  Mi, 8:00 Uhr  Di, 17:28 Uhr   % YTD 
EUR/USD                1,2324     +0,22%        1,2315         1,2280   +0,9% 
EUR/JPY                126,95     +0,50%        126,53         126,17   +0,7% 
EUR/CHF                1,0829     +0,26%        1,0809         1,0797   -1,3% 
EUR/GBP                0,9053     +0,31%        0,9037         0,9022   +1,4% 
USD/JPY                103,02     +0,28%        102,73         102,74   -0,3% 
GBP/USD                1,3612     -0,08%        1,3629         1,3611   -0,4% 
USD/CNH (Offshore)     6,4530     +0,24%        6,4379         6,4408   -0,8% 
Bitcoin 
BTC/USD             36.162,64     +5,34%     35.294,50      32.557,36  +24,5% 
 
ROHOEL                zuletzt  VT-Settl.         +/- %        +/- USD   % YTD 
WTI/Nymex               50,38      49,93         +0,9%           0,45   +3,8% 
Brent/ICE               54,03      53,60         +0,8%           0,43   +4,5% 
 
METALLE               zuletzt     Vortag         +/- %        +/- USD   % YTD 
Gold (Spot)          1.920,84   1.949,40         -1,5%         -28,57   +1,2% 
Silber (Spot)           27,28      27,55         -1,0%          -0,27   +3,4% 
Platin (Spot)        1.106,00   1.116,28         -0,9%         -10,28   +3,3% 
Kupfer-Future            3,65       3,64         +0,2%          +0,01   +3,8% 
 

Kontakt zum Autor: maerkte.de@dowjones.com

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January 06, 2021 16:11 ET (21:11 GMT)