Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones)--Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat als Antwort auf die hohe Inflation einen Ausstieg aus der Verschuldungspolitik angemahnt und die Staaten der Europäischen Union (EU) zu einer Rückführung ihrer Schulden gedrängt. "Inflation ist ein ernstzunehmendes Risiko für die weitere wirtschaftliche Entwicklung", warnte Lindner nach Beratungen der EU-Finanzminister in Brüssel. Sie könne dazu führen, dass die wirtschaftlichen Aktivitäten eingestellt und unternehmerische Risiken nicht mehr übernommen würden, und die Menschen verlören an Kaufkraft. Alle EU-Länder seien der Ansicht, "dass die Bekämpfung der Inflation eine der Prioritäten der europäischen Wirtschafts- und Finanzpolitik sein muss".

Lindner forderte einen Ausstieg aus der expansiven Fiskalpolitik. "Wir müssen Druck von den Preisen nehmen, wir müssen also raus aus der expansiven Fiskalpolitik und die Haushalte rasch konsolidieren." Dies sei nötig, damit die Geldpolitik agieren könne. Der Bundesfinanzminister betonte, dass die "sehr, sehr unabhängige Notenbank aber auch eine sehr, sehr große Verantwortung hat, ihren Beitrag zur Bekämpfung der Inflation zu leisten".

Kritisch zeigte sich Lindner zum Vorhaben der EU-Kommission, die Ausnahmeregelung vom Stabilitätspakt um ein Jahr zu verlängern. "Alle Daten" hätten dafür gesprochen, diese allgemeine Ausweichklausel nicht zu verlängern, meinte er. "Gottlob haben wir keine Rezession." Lindner warnte vor dem "Missverständnis", es könne nun so weiter gehen wie während der Coronavirus-Pandemie und dieses Kriegs- und Krisenjahres. "Trotz der Entscheidung der Kommission muss bereits 2023 zur Konsolidierung genutzt werden", forderte er. Nötig sei jetzt ein "Shift" weg von nachfrageorientierter Krisenintervention und hin zu einer angebotsorientierten Wirtschaftspolitik.

Erneut lehnte Lindner zudem Vorschläge ab, Ukraine-Hilfen mit vergemeinschafteten Schulden zu finanzieren. "Eine Anleihe an das Modell 'Next Generation EU' ist für Deutschland ausgeschlossen." Den Finanzbedarf für einen Wiederaufbau könne derzeit niemand quantifizieren, betonte er zudem. Mit Blick auf die deutsche Innenpolitik wies der Finanzminister außerdem erneut Forderungen nach einer "Übergewinnsteuer" etwa für Mineralölkonzerne zurück. "Der Fiskus kennt keinen Übergewinn, er kennt nur Gewinn, und der wird besteuert." Zudem würde ein solches Instrument etwa bei der Solar- und Windenergie den Anreiz für private Investitionen reduzieren.

Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

DJG/ank/sha

(END) Dow Jones Newswires

May 24, 2022 08:44 ET (12:44 GMT)