KfW-Konjunkturkompass: Deutsche Wirtschaft vor schwierigem Winter
Frankfurt am Main (ots) -

- Lieferengpässe, Energiekosten und vierte Covid-Welle belasten Konjunktur im
  Winterhalbjahr
- Wachstumsschub ab kommendem Frühjahr
- KfW Research erwartet für 2022 Anstieg des deutschen BIP um 4,4 % nach 2,6 %
  im Jahr 2021
- BIP-Wachstum in der Eurozone 2021 bei 5,0 % und 2022 bei 4,2 %
- Omikron-Variante noch schwer kalkulierbares Risiko

Aufholeffekte bei den kontaktintensiven Dienstleistungen sorgten trotz
hartnäckiger Angebotsengpässe in der Industrie für ein kräftiges
deutsches
Wachstum von 1,7 % im dritten Quartal. Doch nun steht der Wirtschaft ein
schwieriger Winter bevor: Der steile Energiepreisanstieg dämpft die private
Kaufkraft und belastet die Unternehmen kostenseitig. Gleichzeitig halten sich
die Materialengpässe bei Rohstoffen und Vorprodukten sowie die Störungen im
globalen Transportsystem hartnäckig. Angesichts unzureichender Impffortschritte
türmt sich zu alledem die vierte Welle der Corona-Neuinfektionen mit Beginn der
kalten Jahreszeit auf immer neue Höchststände auf. Regeln zur Eindämmung und
eine freiwillige Zurückhaltung beim sozialen Konsum aus Angst vor Ansteckungen
dürften die Umsätze vieler Unternehmen im kontaktintensiven
Dienstleistungsbereich sowie im stationären Einzelhandel nun wieder belasten. In
der Folge wird die Wirtschaft im begonnenen Winterhalbjahr 2021/2022 kaum über
eine Stagnation hinauskommen, vorübergehend kann sie sogar etwas schrumpfen. Bei
mehr oder weniger gleichzeitiger Entspannung bei Materialengpässen und
Pandemielage wird es dann ab dem Frühling 2022 aber zu einem kräftigen Schub
beim Quartalswachstum kommen. Für das kommende Jahr erwartet KfW Research mit
4,4 % (Vorprognose: 4,2 %) ein deutlich höheres Wirtschaftswachstum als 2021 mit
2,6 % (Vorprognose: 3,0 %; alle Raten preisbereinigt).

"Ein Teil des Wachstums verlagert sich in das kommende Jahr und das deutsche
Bruttoinlandsprodukt bleibt in diesem Jahr noch leicht, um gut ein Prozent,
hinter dem Vorkrisenniveau im vierten Quartal 2019 zurück", sagt Dr. Fritzi
Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW beim Pressegespräch zum Konjunkturausblick
2022 in Frankfurt. "Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben: Ihr Vorkrisenniveau
wird die deutsche Wirtschaft im zweiten Quartal 2022 übertreffen - und zwar
recht schnell und deutlich, sobald sich die hemmenden Faktoren lösen."

Die Schere zwischen Nachfrage und Angebot in der Industrie hat sich seit Mitte
2020 immer weiter geöffnet: Aktuell ist der monatliche Eingang an neuen
Aufträgen im Verarbeitenden Gewerbe knapp 9 % höher als im Februar 2020, dem
letzten Monat vor Beginn der coronabedingten Einschränkungen. Demgegenüber
fällt
die Produktion infolge der gravierenden Materialengpässe immer weiter zurück und
liegt inzwischen um gut 11 % unter dem Vorkrisenniveau. Der seit Januar 2015
erhobene Bestand an unerledigten Aufträgen im Verarbeitenden Gewerbe wächst
deshalb schon seit Anfang 2021 im Monatsrhythmus auf immer neue Rekordstände an.
"Mit dem Abarbeiten dieses enormen Auftragsstaus ist im Verlauf von 2022 ein
neuer Wachstumsschub absehbar, sobald die Materialknappheiten nachlassen",
erläutert Köhler-Geib. Mit der Eindämmung der vierten Welle der Pandemie werde
zudem die Konsumnachfrage im Verlauf von 2022 wieder anziehen, zumal die
privaten Haushalte über erhebliche Überersparnisse verfügen würden, mit
denen
sie auch energiepreisbedingte Kaufkraftverluste zumindest abfedern könnten. So
lag die Sparquote vom ersten Quartal 2020 bis zum dritten Quartal 2021 im
Schnitt um 5,8 Prozentpunkte über dem Durchschnitt der zehn Jahre zuvor, was
einer Überersparnis von zusammengenommen 208 Mrd. EUR oder 6,2 % des BIP im Jahr
2020 entspricht.

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Eurozone wuchs im dritten Quartal 2021 mit
2,2 % gegenüber dem Vorquartal noch kräftiger als das deutsche BIP. Das starke
Comeback der Dienstleistungen - vor allem des Gastgewerbes und anderer
kontaktintensiver Branchen wie etwa Veranstaltungen - gab der
Wirtschaftsleistung der Eurozone einen kräftigen Schub. Zugleich belasteten die
Materialengpässe die Produktion weniger als in Deutschland mit seinem
überdurchschnittlich hohen Industrieanteil einschließlich der besonders unter
dem Chipmangel leidenden Autoindustrie. Für die Eurozone insgesamt ist das
Vorkrisenniveau zum Greifen nah, es fehlen noch 0,5 %. Die weitere Erholung wird
von einer unguten Kombination aus der rapiden Verteuerung von Energie,
anhaltenden Materialengpässen und lokalen Infektionswellen unterschiedlicher
Stärke ausgebremst. In Südeuropa erscheint die Pandemielage relativ stabil und
dank hoher Impfquoten gut beherrschbar. Hingegen ist die Dynamik der Fallzahlen
in Deutschland und weiteren Ländern vor allem Nord-, Mittel- und Osteuropas
hoch. Verschärfungen der Maßnahmen könnten hier den sozialen Konsum über
den
Winter wieder etwas schrumpfen lassen. Das Quartalswachstum in der Eurozone wird
deshalb kurzfristig verflachen, bevor es bei verbesserter Pandemielage und
rückläufigen Materialengpässen ab dem kommenden Frühling wieder Fahrt
aufnimmt.
Unterm Strich erwartet KfW Research für die Eurozone im Jahr 2021 ein
BIP-Wachstum von 5,0 % (Vorprognose: +4,7 %; technisch begründete
Aufwärtsrevision infolge Aktualisierung vergangenheitsbezogener BIP-Daten durch
Eurostat). 2022 dürfte das Wirtschaftswachstum 4,2 % (Vorprognose: 4,3 %)
erreichen.

Die Corona-Pandemie ist weiterhin das zentrale Risiko für die Konjunktur, wie
die neu entdeckte Virusvariante Omikron augenfällig unterstreicht. Köhler-Geib:
"Das deutsche Wachstum könnte 2022 zwischen 2,5 und 4 Prozentpunkte niedriger
ausfallen als von uns vorhergesagt, falls wieder scharfe Eindämmungsmaßnahmen
wie pauschale Lockdowns ergriffen werden müssten und sich im ungünstigsten Fall
zudem die Industrieerholung wegen erneuter globaler Angebotsengpässe weiter in
die Zukunft verschöbe." Allerdings ist gegenwärtig völlig unklar, ob Omikron
tatsächlich ansteckender oder im Krankheitsverlauf schwerwiegender ist. Bislang
unbeantwortet ist zudem die Frage, ob die bisherigen Impfstoffe deutlich weniger
gegen eine Ansteckung schützen. "Insofern ist auch offen, wie hoch die
Eintrittswahrscheinlichkeit dieser Krisenszenarien ist. Ebenfalls denkbar ist
außerdem, dass Omikron zwar ansteckender aber in den Krankheitsverläufen weit
harmloser ist als die bisherigen Varianten, was uns dem Ende der Pandemie sogar
ein Stück näherbrächte", sagt Köhler-Geib.

Der aktuelle KfW-Konjunkturkompass ist abrufbar unter:

www.kfw.de/KfW-Konjunkturkompass
(https://www.kfw.de/%C3%9Cber-die-KfW/KfW-Research/Konjunktur.html)

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